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Haftungsbescheid gegen Arbeitgeber wegen Lohnsteuer

Nach der Rechtsprechung steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Fiskus, ob er den Arbeitgeber mittels Haftungsbescheid in Anspruch nimmt oder die Steuer bei dem betroffenen Arbeitnehmer festsetzt (FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 13.11.2018, 9 V 9023/18, juris). Damit besteht ein Spielraum, der nur bei Überschreitung äußerster Grenzen zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung führen kann (sog. Ermessensfehler).

Die Ermessensentscheidung muss „Recht und Billigkeit“ entsprechen, wobei bereits dieser Begriff schillernd ist. Damit besteht das Risiko, dass praktisch oft der jeweilige Rechtsanwender nach seinem Geschmackentscheidet, wie diese Begriffe im Einzelfall zu verstehen sind. In der bisherigen Rechtsprechung haben sich zur Ermessensausübung Kriterien entwickelt, die bei der Ermessensausübung zu beachten sind.

Gegen eine vorrangige Inanspruchnahme des AG können insbesondere folgende fünf Gesichtspunkte sprechen:

  • Bereits mit Urteil vom 10.1.1964 hat der BFH das Kriterium des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis so gewertet, dass dieses gegen eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers sprechen kann (VI 262/62 U, BStBl III 1964, 213). 
  • Wenn der betroffene Arbeitnehmer im Betrieb für den Lohnsteuerabzug verantwortlich war, z.B. als Geschäftsführer oder Vorstand, soll dies ein Kriterium gegen eine vorrangige Inanspruchnahme des Arbeitgebers sein (FG Münster v. 28.10.1975, VIII 1477/72, juris).  
  • Gegen eine vorranginge Inanspruchnahme des Arbeitgebers spricht, wenn es sich nur um wenige, einzeln bekannte Arbeitnehmer handelt (BFH v. 14.4.1967, VI R 23/66, BStBl III 1967, 469; BFH v. 20.9.1985, VI R 45/82, BFH/NV 1986, 240). 
  • Es erscheint rechtsmissbräuchlich, wenn der Fiskus das Haftungsverfahren nutzt, um eine fehlende Korrekturmöglichkeit im Veranlagungsverfahren zu umgehen. Der Gesetzgeber hat mit den Korrekturregelungen Rechtssicherheit schaffen wollen und diese darf nicht durch das Haftungsverfahren ausgehebelt werden.
  • Eine Ermessensausübung ist jedenfalls dann ermessensfehlerhaft, wenn sie unverhältnismäßig ist. Da es sich bei der lohnsteuerlichen Haftung um eine Inpflichtnahme Privater für staatliche Zwecke handelt, muss diese insbesondere dem Gebot der Erforderlichkeit als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen.

Diese Kriterien sind nicht in dem Sinne zu verstehen, dass sie zwingend gegen eine Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers sprechen. Es handelt sich um eine Gesamtwürdigung. Die Rechtsprechung ist zudem von Kasuistik gekennzeichnet. Es kommt somit auf den Einzelfall an.

Wir prüfen im Einzelfall, ob ein Einspruch gegen Haftungsbescheide sinnvoll und geboten ist. Im Einspruchsverfahren wird der Bescheid sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht nochmals überprüft. Eine Vollstreckung des Bescheides kann nur durch einen begründeten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verhindert werden.

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