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Steuerstrafverteidigung bei unternehmerischer Tätigkeit im Ausland

Die Sozietät LHP aus Köln hat aktuell einen Freispruch für einen Unternehmer erstritten, der in der Schweiz erfolgreich unternehmerisch tätig ist.

1. Das Urteil des Amtsgerichts Trier

Das freisprechende Strafurteil des AG Trier (AG Trier v. 22.5.2017 – 28 Ls 2050 Js 46190/16) betraf die Frage, ob Ort der Geschäftsleitung in Deutschland oder der Schweiz war. Die Staatsanwaltschaft sah den Ort in Deutschland und vermutete eine Hinterziehung deutscher Körperschaftsteuer. Dieser Ansicht hat das AG Trier deutlich widersprochen, ein Ermittlungsdefizit gerügt und den Angeklagten freigesprochen. Rechtsanwalt Dirk Beyer bespricht dieses Urteil in der Ausgabe Juli 2017 der Fachzeitschrift AO-StB.

2. Um diesen Sachverhalt ging es

Der Angeklagte war Gesellschafter zweier schweizerischen GmbHs (X- und Y-GmbH) und einer deutschen M-GmbH. Die Ermittlungsbehörde nahm eine Geschäftsleitung durch den Angeklagten bei X von Deutschland aus an. Sie ging von einer Hinterziehung der KSt und GewSt 2010 bis 2012 durch Unterlassen der Erklärungsabgabe aus. Schweizerische Zeugen, die auch vor Anklageerhebung freiwillig erschienen wären, wurden von den Ermittlungsbehörden nicht geladen. Diese erschienen freiwillig in der Hauptverhandlung beim AG Trier. Aus diesen Aussagen ergaben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass Ort der Geschäftsleitung nach Überzeugung des Gerichts nicht Deutschland war.

3. Die Sichtweise des Gerichts

Das Gericht hat den objektiven Tatbestand verneint und den Angeklagten freigesprochen. Es hat offen gelassen, ob der Vorsatz angesichts der früheren Beratung ausgeschlossen war. Der Ort der Geschäftsleitung ist wertend aufgrund einer Gesamtabwägung aller für und gegen den Ort sprechenden Umstände zu beurteilen. Die Ermittlungsbehörde hat im vorliegenden Fall allein die belastenden Umstände berücksichtigt, welche aber nur als Indizien für eine Geschäftsführung in Deutschland sprachen. Hinweisen auf entlastende Umstände – Tätigkeiten von Personen in der Schweiz – ist die Ermittlungsbehörde nicht hinreichend nachgegangen. Der Angeklagte schwieg in Absprache mit der Verteidigung.

4. Praxisbedeutung des Urteils

Der Angeklagte darf schweigen und muss im Strafprozess insb. nicht den Negativbeweis führen, dass der Ort der Geschäftsleitung nicht in Deutschland ist. Es genügten die erheblichen Zweifel aufgrund der Zeugenaussagen, um den objektiven Tatbestand des Hinterziehungsvorwurfs als unzutreffend zu werten. Die Staatsanwaltschaft meinte hingegen unzutreffend, dass sich Angeklagter und Verteidiger eindeutig zum Ort der Geschäftsleitung äußern müssten und beanstandete das Schweigen. Mitwirkungspflichten gem. § 90 AO (insb. bei Auslandssachverhalten) können selbstverständlich nur im steuerrechtlichen Verfahren und nicht im Strafprozess bestehen. Aber auch im Steuerrecht bestehen steuerliche Mitwirkungspflichten nur dann, wenn hierfür tatsächliche Anhaltspunkte bestehen (vgl. FG Berlin-Bbg. v. 20.4.2016 – 14 K 14207/15, zur Übernahme-Rechtsprechung des BFH vgl. Rechtsanwalt Dirk Beyer in der Fachzeitschrift NWB 2016, 2786). Ein Schweigen des Angeklagten darf bei einem – wie hier erfolgten – durchgängigen Schweigen nicht zu seinen Lasten gewertet werden.

5. Im Einzelfall kann trefflich gestritten werden

Sollten sich im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Geschäftsführung auch in Deutschland ergeben, so kann hilfsweise auf die Ansicht verwiesen werden, dass im Einzelfall auch mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung i.S.d. § 10 AO in Betracht kommen (Gosch, KStG, 3. Aufl. 2015, § 1 Rz. 47; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 10 AO Rz. 9 [Jan. 2016]) auch mit Hinweisen zur Gegenansicht). Je unübersichtlicher die Sach- und Rechtslage ist, desto schwieriger ist der Nachweis des objektiven und subjektiven Tatbestandes als Voraussetzung einer Verurteilung

6. Steuerfahnder sollten nicht als erste Zeugen geladen werden

Das AG hatte den Ermittlungsbeamten der Steuerfahndung erst für den dritten Tag der Hauptverhandlung und somit nach Vernehmung der Entlastungszeugen geladen. In den meisten Fällen lassen sich Strafrichter hingegen zunächst vom Steuerfahnder den Fall erklären. Dies führt jedoch insb. bei Schöffen zu der realen Gefahr, dass diese beeinflusst werden und vorab festgelegt sind, bevor die Hauptverhandlung durchgeführt wurde. Der Verteidiger sollte das Gericht notfalls sensibilisieren. Eine frühe faktische Deutungshoheit seitens der Ermittlungsbehörde widerspricht einem fairen Verfahren (Art. 6 EMRK). Ein Steuerfahnder ist – von Ausnahmefällen abgesehen - kein zulässiger Gutachter und darf nur begrenzt als Zeuge vernommen werden.

7. Auswirkung auf das steuerliche Verfahren

In der Praxis besteht oftmals keine zeitliche Koordination zwischen straf- und steuerrechtlichen Verfahren. Ein Finanzgericht entscheidet rechtlich eigenständig, ob eine Hinterziehung vorliegt oder nicht (so z. B. ausdrücklich BFH, Beschluss vom 14.12.2011, V B 21/11, BFH/NV 2012, 602). Es kann daher gegenüber dem Strafverfahren zu abweichenden Beurteilungen kommen. Allerdings erleichtert der BFH es den FG, die Feststellungen eines Strafurteils zu übernehmen. Nach der sog. Übernahme-Rechtsprechung verletzt ein Finanzgericht seine ihm obliegende Sachaufklärungspflicht nicht dadurch, dass es sich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafverfahrens zu eigen macht, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung diese Feststellungen zutreffend sind (BFH v. 23.4.2014, VII R 41/12, BStBl II 2015, 117; RA/StB Ingo Heuel, AO-StB 2014, 263). Diese Rechtsprechung erlaubt dem Finanzgericht eine weitgehende faktische Bindung, so dass in der Praxis der Wille des FG eine wichtige Rolle spielt, ob es dem Strafurteil folgen will oder nicht (vgl. zur Praxis Rechtsanwalt Dirk Beyer, NWB 2016). Im steuerrechtlichen Verfahren sollten bei einem vorangegangen verurteilenden Strafurteil substantiierte Einwendungen gegen das Strafurteil geprüft und vorgetragen werden.

Die Geschäftsführung sollte für eine hinreichende Dokumentation ihrer Tätigkeit (z.B. in Terminkalendern) sorgen. Wenn diese Belege jedoch nicht existieren, können Zeugenaussagen helfen. Im Strafverfahren besteht ein Schweigerecht. Dass Gericht muss freisprechen, wenn es nach Ausschöpfung aller zumutbaren und verfügbaren Beweismittel keine Überzeugung von der Schuld hat.

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