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BGH: Nicht jede verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) ist eine Steuerhinterziehung

In Steuerstrafverfahren unterliegen Ermittlungsbehörden und Strafrichter teilweise dem Irrtum, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) generell zu einer Hinterziehung führe. Zumindest werden die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung teilweise nicht gründlich geprüft. Auf diesen Fehler hat der BGH in seinem Beschluss vom 1. 12. 2015 hingewiesen (Az: 1 StR 154/15). Für Steuerstrafverteidiger ist diese Entscheidung des BGH hilfreich.

1. Komplexe steuerliche Vorfragen können irrtümlich zu einem Anfangsverdacht führen

Das Steuerrecht ist eine Vorfrage des Steuerstrafrechts, da eine Steuerhinterziehung gem. § 370 , § 378 Abs. 1 AO im objektiven Tatbestand eine Steuerverkürzung voraussetzt. Somit müssen selbst komplexe steuerrechtliche Fragestellungen im Steuerstrafverfahren durch den Strafrichter entschieden werden.

Hinweis der Steueranwälte von LHP: Das strafrechtliche und finanzgerichtliche Verfahren lassen sich oft nur mit Mühe zeitlich koordinieren oder gar nicht. Dies bedeutet, dass ein schnelles Strafverfahren dazu führt, dass der Strafrichter zeitlich vor dem Finanzgericht über das Vorliegen einer vGA entscheidet. Das Finanzgericht ist für das Steuerrecht allerdings das sachnächste Fachgericht. Es ist oft zu bevorzugen, eine Meinung des Finanzgerichts einholen zu können. Im Einzelfall kann sich ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht anbieten, um eine schnelle Entscheidung des Finanzgerichts zu bekommen. Dies sollte aber sorgfältig abgewogen werden.

2. BGH: Verdeckte Gewinnausschüttung ist nicht automatisch Steuerhinterziehung

Im zugrundeliegenden Sachverhalt waren die Angeklagten jeweils Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. In den Jahren 1999 und 2000 erwarben die Angeklagten Wirtschaftsgüter für ihre Privatwohnungen. Hierbei wurden die Rechnungen auf die beiden GmbHs als Rechnungsadressaten ausgestellt, die die Rechnungen beglichen und die Vorsteuer geltend machten. Beide GmbHs aktivierten die Wirtschaftsgüter und nahmen steuerliche Abschreibungen vor. Es kam zu einem Steuerstrafverfahren. Das Landgericht verurteilte beide Angeklagten wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer 1999 und 2000 sowie der Körperschaftsteuer 1999 und 2000. Dabei ging das Landgericht ging von einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe des jeweiligen Bruttorechnungsbetrags und einem unberechtigten Vorsteuerabzug aus. Die Angeklagten wandten sich hiergegen mit ihrer Revision.

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf, soweit die Angeklagten wegen Hinterziehung der Umsatz- und Körperschaftsteuer verurteilt worden waren. Er begründete seine Entscheidung wie folgt: Die Feststellungen des Urteils des Landgerichts rechtfertigten nicht den Schuldspruch wegen Hinterziehung. De Grunde nach sei zwar eine vGA gegeben. Denn das Vermögen der beiden GmbHs wurde dadurch gemindert, dass den auf die umgeschriebenen Rechnungen geleisteten Zahlungen keine Gegenleistungen für die GmbHs gegenüberstanden. Die Zuwendung von Vermögensvorteilen an die Angeklagten durch Übernahme der Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern für die eigengenutzten Privatwohnungen war jeweils allein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Entsprechend dem sog. Fremdvergleich betonte der BGH, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter diese Zuwendungen einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. In einem zweiten Schritt zeigte der BGH aber das Problem auf: Das Landgericht hat die vGA nicht der Höhe nach zutreffend festgestellt. Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts konnte keine verdeckte Gewinnausschüttung in dem Umfang angenommen werden, wie sie das Landgericht seinem Urteil zugrunde legte. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann nicht in Höhe der Bruttorechnungsbeträge vorgelegen haben. Denn die Wirtschaftsgüter wurden als Betriebsvermögen aktiviert, so dass insoweit ein gewinnneutraler Aktivtausch vorlag. Eine Minderung des Einkommens i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG lag insofern nicht vor. Der BGH wies aber darauf hin, dass hier eine verdeckte Gewinnausschüttung allenfalls in Höhe der Abschreibungen in Betracht kam, weil entgegen § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Minderung des steuerlichen Einkommens geltend gemacht und damit der Festsetzung der Körperschaftsteuer unzutreffend zugrunde gelegt wurde. Insofern wurde die Sache jedoch an das Landgericht als Tatsacheninstanz zur erneuten Verhandlung zurückgewiesen.

Hinweis der Steueranwälte von LHP: Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist steuerrechtlich und erst recht strafrechtlich nicht per se unzulässig und daher für sich allein betrachtet noch keine Steuerhinterziehung. Das Wort „verdeckt“ im Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung hat nichts Kriminelles, sondern ist nur der Hinweis darauf, dass es sich um eine Ausschüttung ohne einen entsprechenden (offenen) Gesellschafterbeschluss handelt. Dies ist aber primär nur eine Frage des Gesellschaftsrechts. Ob im Einzelfall eine vGA zu einer Hinterziehung führt, kann nur jeweils entschieden werden. Hierbei ist der Sachverhalt insgesamt vor sämtlichen Tatbestandsmerkmalen einer vGA und einer Hinterziehung in den Blick zu nehmen. Selbst wenn der objektive Tatbestand einer Hinterziehung vorliegt. So muss auch der subjektive (Vorsatz) gegeben sein, damit eine Hinterziehung als Straftat nachgewiesen wird. Der Vorsatz muss bewiesen werden und dieser ist aber komplexen steuerlichen Fragen nicht immer naheliegend. Vielmehr zeigt das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts, dass selbst Richter die Wirkung einer vGA unzutreffend einschätzen können.

VGA kann Gesellschafts- und Gesellschafterebene betreffen

Der BGH hatte in einer weiteren Entscheidung über die Revision gegen ein Strafurteil zu entscheiden, mit welchem der Angeklagte als Gesellschafter einer GmbH wegen Hinterziehung der Körperschaft- und der Einkommensteuer 2011 verurteilt worden war (Beschluss vom 1.12.2015, Az: 1 StR 273/15). Die GmbH hatte die Kosten für ein Kfz getragen und A nutzte dieses privat, ohne dass eine fremdübliche Nutzungsvereinbarung vorlag. Der BGH bestätigte die vGA dem Grunde nach. Allerdings hatte die Vorinstanz Feststellungen für die Höhe des privaten Nutzungsanteils nur für die Bemessung der verdeckten Gewinnausschüttung auf der GmbH-Ebene getroffen und zugrunde gelegt. Hierbei handelte es sich um die Körperschaftsteuer. Inkonsequent hatte das Landgericht hingegen für die Höhe der Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG (Einkommensteuer, Ebene des Gesellschafters) keine solche Aufteilung berücksichtigt.

Hier rügte der BGH das Vorgehen des Landgerichts: Der BGH bemängelte den fehlenden Gleichlauf für beide Ebenen (Körperschaft- und Einkommensteuer) und die mangelnde Ermittlung des Landgerichts hinsichtlich der Aufteilung des betrieblichen und privaten Anteils.

Hinweis der Steueranwälte von LHP: Auch diese BGH-Entscheidung zeigt einmal mehr, dass im Steuerstrafverfahren die Besonderheiten der vGA-Thematik zu überraschenden Entscheidungen führen können. Hier besteht erhebliches Verteidigungspotential, wenn die Ermittlungsbehörde die vGA nicht zutreffend wertet.

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