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Wo liegt der Unterschied zwischen Berichtigung und Selbstanzeige?

Wenn eine steuerliche Erklärung zu korrigieren ist, besteht am Anfang eine wichtige Frage:

Welche „Spielregeln“ müssen bei der Korrektur von nachträglich erkannten steuerlichen Fehlern beachtet werden?

Hierzu ist zunächst die steuerliche Erklärungspflicht zu sehen, die durch § 153 AO für Fälle einer nachträglichen Korrektur gesetzlich konkretisiert wird.

Anderseits hat der Gesetzgeber die strafrechtliche  Regelung der Selbstanzeige gem. § 371 AO geschaffen, die bei Vorsatz zu einer Strafbefreiung führen kann. Bei Leichtfertigkeit gibt es die Möglichkeit einer bußgeldbefreienden Selbstanzeige gem. § 378 Abs. 3 AO.

Diese unterschiedlichen Regelungen sollen hier „aufgedröselt“ werden. Daher werden – ohne auf Details einzugehen – die unterschiedlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen dieser Regelungen (Wirkungen) aufgezeigt. Oftmals schließen sich Berichtigung und Selbstanzeige nicht aus, sondern überschneiden sich, so dass diese Regelungen gleichzeitig im Rahmen einer Korrektur zu beachten sind.

Zur Unterscheidung ist folgendes zu beachten:

  • Während § 153 AO nach seinem Wortlaut eine steuerliche Anzeige- und Berichtigungspflicht regelt,
  • ergeben sich aus den Regelungen zur Selbstanzeige keine Erklärungspflichten. Vielmehr ermöglichen die Spielregeln zur Selbstanzeige eine Straf-  oder Bußgeldbefreiung.

Hinweis von LHP: Die Unterscheidung zwischen einer steuerlichen Berichtigungserklärung gem. § 153 AO und einer Selbstanzeige gem. §§ 371, 378 Abs. 3 AO erfolgt somit im subjektiven Tatbestand. Entscheidend ist, mit welchem „Wissen und Wollen“ der Steuerpflichtige bei Abgabe oder Nichtabgabe der Erklärung gehandelt hat.

Dies bedeutet: Wenn der Steuerpflichtige die ursprüngliche Erklärung vorsätzlich oder leichtfertig unzutreffend abgegeben oder unterlassen hat, liegt eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit vor, so dass eine jetzige Berichtigungserklärung gem. § 153 AO nur dann straf- oder bußgeldbefreiend ist, wenn sie auch die Voraussetzungen der §§ 371, 378 Abs. 3 AO erfüllt.

1. Fallgruppe Nr. 1: Voraussetzungen der Selbstanzeige bei Vorsatz (§ 371 AO)

§ 371 AO regelt die strengen Spielregeln, die für eine Strafbefreiung bei Vorsatz gelten. Vorsatz ist das Wollen der Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller objektiven Umstände; es genügt hierfür bereits bedingter Vorsatz. Daher reicht es aus, dass der Täter die Steuerhinterziehung für möglich hält und diese billigend in Kauf nimmt. Die Ermittlungsbehörden nehmen hierfür oftmals eine eher niedrige Schwelle an. So kann es im Einzelfall u.U. genügen, dass sich ein Steuerpflichtiger bei einem Dauersachverhalt oder einem ungewöhnlichen Ereignis nicht hinreichend steuerlich beraten lässt und/oder seinen Berater nicht hinreichend über den Sachverhalt informiert.

Die Selbstanzeige gem. § 371 AO wirkt strafbefreiend wenn die Voraussetzungen des § 371 Abs. 1 AO (Berichtigungsverbund:  Vollständigkeitsgebot; alle strafrechtlich unverjährten Jahre und sog. Mindestfrist von 10 Jahren) vorliegen, keine Sperrgründe gem. § 371 Abs. 2 AO eingreifen (z.B. Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung, Bekanntgabe eines Steuerstrafverfahrens) und die Nachzahlung erfolgt ist (§ 371 Abs. 3 AO).

Hinweis von LHP: Es kommt nicht auf die Bezeichnung an. Dies bedeutet: Eine Bezeichnung als „Selbstanzeige“ ist nicht notwendig und auch nicht sinnvoll. Insbesondere muss nicht die moralische eigene Schuld eingestanden werden.

Entscheidend ist vielmehr die Mitteilung der vollständigen und richtigen Besteuerungsgrundlagen „in einem Rutsch“.

Bisher ist durch den BGH nicht geklärt, wie die fiktive Mindestfrist des § 371 Abs. 1 Satz 2 AO zur Festlegung des Berichtigungsverbundes berechnet wird.

Wenn die steuerliche Nachzahlungsfrist laut Steuerbescheid nicht eingehalten wurde, führt dies zur

Vollstreckungsgefahr, jedoch nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige. Ein solches Risiko besteht nur dann, wenn für die Nachzahlung durch die Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft eine angemessene strafrechtliche Zahlungsfrist gesetzt worden ist, die auf Antrag verlängert werden kann.

In Einzelfällen ist zudem die Zahlung eines prozentualen Strafzuschlages gem. § 398a AO zur Strafbefreiung erforderlich (z.B. bei einer Hinterziehung pro Tat von mehr als EUR 25.000; oft bei Erbschaftsteuer der Fall).

2. Fallgruppe Nr. 2: Voraussetzungen der Selbstanzeige bei Leichtfertigkeit (§ 378 Abs. 3 AO)

Lag  lediglich Leichtfertigkeit vor, so gelten für eine Bußgeldbefreiung die in § 378 Abs. 3 AO geregelten erleichterten Voraussetzungen gegenüber § 371 AO. Sperrgrund kann hier nur die Bekanntgabe eines Steuer- oder Bußgeldverfahrens sein. Die Nachzahlung muss auch hier erfolgen.

Ein Strafzuschlag gem. § 398a AO fällt im Fall des § 378 Abs. 3 AO nicht an.

Was bedeutet Leichtfertigkeit?

Leichtfertigkeit meint, dass der Täter die nach seinen Fähigkeiten mögliche Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem hätte einleuchten müssen.

Hinweis von LHP: Bisher gibt es keine sichere Abgrenzung zwischen Vorsatz und Leichtfertigkeit. Im Zweifel wenden wir daher sicherheitshalber die strengeren Regeln bei Vorsatz an.

3. Fallgruppe Nr. 3: Sonstige Fälle

Wenn weder Vorsatz noch Leichtfertigkeit vorlag, so besteht nicht die Notwendigkeit einer Straf- oder Bußgeldbefreiung. Hier ist allein die steuerliche Berichtigung gem. § 153 AO zu beachten.

In allen drei oben aufgeführten Fallgruppen sollte auch gesehen werden, dass ein Verspätungszuschlag  drohen kann wenn bisher keine Erklärung abgegeben worden ist (§ 152 AO).

4. Voraussetzungen der steuerlichen Berichtigung gem. § 153 AO

Die Berichtigungspflicht gem. § 153 AO verlangt, dass dem Finanzamt ab positiver Kenntnis der

Unrichtigkeit diese Unrichtigkeit unverzüglich angezeigt  und innerhalb einer  angemessenen Frist korrigiert  wird. Diese Pflicht besteht bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung. Beide Schritte sollten vorsorglich unverzüglich in einem Schritt erfolgen, da so notfalls auch die Vollständigkeit gem.   § 371 AO gewahrt wird. Die Gefahr eines Vorsatzvorwurfs kann insbesondere bei Eventualvorsatz bestehen.

Hinweis:

Die Finanzverwaltung vertritt mit dem BGH die Ansicht, dass eine Berichtigungspflicht gemäß § 153 AO auch bei Eventualvorsatz besteht (vgl. BMF, Schreiben v. 23.5.2016, BStBl 2016 I S. 490, Rz. 5.2).

Unverzüglich bedeutet: ohne schuldhaftes Zögern. Oftmals wird hier eine Obergrenze von maximal zwei Wochen bei komplexeren Sachverhalten angenommen. Insbesondere bei der Beteiligung mehrerer Personen (z.B. Erbengemeinschaften) und komplexen steuerlichen Rechtsfragen dürfte die Frist eher an dieser Obergrenze (im seltenen Einzelfall evtl. auch länger) liegen. Diese Frist sollte jedoch nicht ohne zwingenden Grund ausgereizt werden. Ansonsten kann der Vorwurf einer Hinterziehung durch Unterlassen drohen.

Praxishinweis:

Die Steueranwälte von LHP weisen darauf hin, dass die Beratung bei Berichtigungserklärungen und Selbstanzeigen erfordert die Beachtung differenzierter Spielregeln. Im Zweifel sollte eine Berichtigung unter Beachtung der strengen Spielregeln des § 371 AO formuliert werden, um einem etwaigen Vorsatzvorwurf begegnen zu können. Letztlich entscheidet der Einzelfall, so dass auch diese Hinweise eine Beratung nicht ersetzen können.

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