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Versagung des Vorsteuerabzugs auch bei „ungewollter“ Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung in der Lieferkette

Hinterzieht ein Unternehmer innerhalb der Lieferkette Umsatzsteuer, kann dies auch für die steuerehrlichen Unternehmer in der Lieferkette zu steuerrechtlichen Sanktionen sowie steuerstrafrechtlichen Implikationen führen. Beispielsweise kann dies zur Konsequenz haben, dass die Finanzverwaltung dem steuerehrlichen Unternehmer – häufig völlig unverhofft – unter Verweis auf § 25f UStG den Vorsteuerabzug versagt. Denn nach § 25f UStG genügt für eine Versagung des Vorsteuerabzugs bereits ein „Wissen müssen“ vom Umsatzsteuerbetrug an irgendeinem Punkt in der Lieferkette.

Der Streitpunkt mit der Finanzverwaltung kreist allzu häufig um die Frage, welche Sorgfaltsanforderungen der Unternehmer erfüllen muss, damit er nicht Gefahr läuft, aus seinen Eingangsrechnungen das Recht zum Vorsteuerabzug nach § 25f UstG zu verlieren. Umsatzsteuerpflichtige Unternehmer sind daher gut beraten, die Anforderungen aus Rechtsprechung und Finanzverwaltung zu beachten, um dem Vorwurf der möglichen Mitwisserschaft bzw. eines „Hätte-wissen-Müssens“ einer Steuerhinterziehung vorzubeugen.

1. Hintergrund von § 25f UStG – Funktionsweise Umsatzsteuer(karussellbetrug)

Ziel der Regelung in § 25f UStG ist die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug, insbesondere in Form der sog. Umsatzsteuerkarussellgeschäfte. Die Funktionsweise von Umsatzsteuerkarussellgeschäften lässt sich vereinfacht wie folgt darstellen:

  • An dem Umsatzsteuerkarussellbetrug nehmen in der Regel vier Unternehmer – von denen sich mindestens zwei zum Nachteil des Fiskus absprechen – teil. Das Umsatzsteuerkarussell lässt sich jedoch auf beliebig viele Beteiligte ausweiten. Aus Vereinfachungsgründen soll die Funktionsweise hier aber mit lediglich drei (nachfolgend: U1, U2, U3) Beteiligten dargestellt werden.
  • Das „Karussell“ beginnt bei dem in einem anderen EU-Land ansässigen U1. Dieser hat seinen Sitz in unmittelbarer Grenznähe zu Deutschland (z. B. in den Niederlanden). U1 verkauft nun Ware für beispielhaft EUR 100,00 netto an den U2 mit Sitz in Deutschland, mit dem U1 konspiriert. Die Lieferung ist als sog. innergemeinschaftliche Lieferung umsatzsteuerfrei.
  • Der U2 wird auch als "Missing Trader“ bezeichnet, weil er im späteren Verlauf für den Fiskus regelmäßig nicht greifbar ist. Hierbei handelt es sich in vielen Fällen um sog. Briefkastenfirmen. Der – bösgläubige - U2 liefert die Ware ebenfalls für 100,00 EUR (und damit regelmäßig sehr „preiswert“) zzgl. 19,00 EUR Umsatzsteuer an den – gutgläubigen - U3 weiter.
  • U3 hat seinen Sitz ebenfalls in Deutschland. Er zahlt die 119,00 EUR an den U2 und lässt sich die Vorsteuer in Höhe von 19,00 EUR vom Finanzamt erstatten. Sodann liefert er die Ware für 110,00 EUR netto (umsatzsteuerfrei als innergemeinschaftliche Lieferung) wieder zurück an den U1 an den Niederlanden, den er (in vielen Fällen) von U2 bereits als Erwerbsinteressenten benannt bekommen hat.
  • Der „Betrug“ besteht nun darin, dass U2 die Umsatzsteuer für seine innerdeutsche Lieferung an den U3 nicht an das Finanzamt abführt. Auf diese Weise haben er und der mit ihm zusammenarbeitende U1 einen saldierten „Rohgewinn“ von EUR 9,00 (nämlich die von U3 eingenommene, dann aber nicht an das Finanzamt abgeführte USt. in Höhe von EUR 19,00 abzgl. EUR 10,00 für den „erhöhten“ Einkaufspreis des U1 bei U3).
  • Nachdem U1 die Ware von U3 zum Preis von EUR 110,00 erhalten hat, gibt er sie erneut - wieder zu einem Kaufpreis von EUR 100,00 – in den Kreislauf. Auf diese Weise zirkuliert ein und dieselbe Ware häufig mehrmals im Kreis. In der Praxis handelt sich es sich häufig um Umsatzsteuerbeträge im zweistelligen Millionenbereich, die dem Fiskus verloren gehen.
  • Der in unserem Beispiel U3 benannte Unternehmer ist hierbei häufig völlig ahnungslos. U2 kontaktiert den U3 und bietet ihm die Ware zu einem sehr guten Preis an und „liefert“ ihm den passenden Käufer (nämlich den U1) gleich mit. Für den U3 stellt sich dies als lukratives Geschäft dar und er wird unwissentlich zum Bestandteil Umsatzsteuerkarussells.

Da die Initiatoren von Karussellgeschäften häufig unter dem Deckmantel von Scheinunternehmen agieren, sind sie für das Finanzamt schwer greifbar und die hinterzogene Umsatzsteuer ist für den Fiskus unwiederbringlich verloren. Zur besseren Eindämmung dieser kriminellen Strukturen erweitert § 25f UStG daher das sanktionsrelevante Verhalten, indem es alle Unternehmen einer Lieferkette durch das Stellen von erhöhten Sorgfaltspflichten in die Verantwortung nimmt. Die Vorschrift ermöglicht es dem Fiskus, sich den Steuerschaden an „anderer Stelle“ zurückzuholen, bzw. diesen auf den Leistungsempfänger abzuwälzen.

Den Vorsteuerabzug versagt das Finanzamt in diesen Fällen unter Heranziehung eben des § 25f UStG mit der Begründung, der Unternehmer (hier der U3) hätte zumindest wissen müssen, dass er Bestandteil eines Umsatzsteuerkarussellbetrugs war. Die Einführung des § 25f UStG hat erhöhte Sorgfaltspflichten für Unternehmer in Deutschland zur Folge. Nur wenn die entsprechenden Sorgfaltspflichten durch den Unternehmer erfüllt werden, läuft er nicht Gefahr, den Vorsteuerabzug nachträglich gemäß § 25f UStG zu verlieren.

2. Umsatzsteuerliche Nachteile (für den U3) bei „Beteiligung“ an einer Umsatzsteuerhinterziehung

Erfüllt der Unternehmer den Tatbestand der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung, sieht § 25f UStG als zwingende Rechtsfolge die Versagung des Vorsteuerabzugs aus Eingangsleistungen und der Umsatzsteuerbefreiung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen vor. Der betroffene Unternehmer wird somit doppelt bestraft. In dem oben dargestellten Beispielsfall müsste der unbedarfte Unternehmer U3 damit auf seine Lieferung an den U1 die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, obwohl er in gutem Glauben in die Umsatzsteuerbefreiung seiner Lieferung an den U1 nur das Nettoentgelt vereinnahmt hat. Gleichzeitig wird ihm aus der Eingangsrechnung des U2 der Vorsteuerabzug versagt.

Erschwerend kommt hinzu, dass der EuGH in seinem Urteil vom 24.11.2022 (C-596/21, – Finanzamt M) entschieden hat, dass die Versagung des Vorsteuerabzugs keine Begrenzung im konkret entstandenen Steuerschaden findet. Vielmehr ist der Vorsteuerabzug insgesamt zu versagen.

Insgesamt handelt es sich bei der Vorschrift des § 25f UStG um ein Vehikel der Finanzverwaltung, welchem für jeden in der Lieferkette beteiligten Unternehmer ein kaum zu überschätzendes Risiko – mitunter gar existenzgefährdendes – Risiko anhaftet.

3. Voraussetzungen der Sanktionierung nach § 25f UStG

3.1. Positive Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis

Anknüpfungspunkt der Sanktionierung nach § 25f UStG ist die positive Kenntnis oder die fahrlässige Unkenntnis bzw. das Kennenmüssen der Umsatzsteuerhinterziehung eines anderen Unternehmers auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe innerhalb der Lieferkette.

Einfallstor für die Annahme einer Beteiligung ist oftmals der Vorwurf des Kennenmüssens. Um diesen Vorwurf zu vermeiden, müssen Unternehmen bei Aufnahme und Durchführung ihrer Geschäftsbeziehungen bestimmte Sorgfaltspflichten einhalten.

3.2. Was sind die Anhaltspunkte für ein „Hätte-wissen-Müssen“ im Sinne des § 25f UStG?

Als Leitfaden für die Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs dienen neben der Rechtsprechung des BFH und des EuGH die Verlautbarungen des Bundesministeriums für Finanzen (BMF).

Das BMF führt in seinem Schreiben vom 15. Juni 2022 beispielhaft Anhaltspunkte für etwaige steuerliche Unregelmäßigkeiten an, die eine eingehendere Überprüfung durch den Unternehmer verlangen. Verdachtsmomente für eine Umsatzsteuerhinterziehung können sich demnach u. a. ergeben aus:

  • Aufforderung sich an Umsätzen zu beteiligen, bei denen ausschließlich der (potenzielle) Geschäftspartner die Rahmenbedingungen des Umsatzgeschäfts vorgibt, indem z. B. Abnehmer und Einkaufspreis einseitig determiniert werden,
  • Angebot von Waren weit unter dem Marktpreis,
  • Fehlen von Branchenkenntnissen, insbesondere bei Angebot großer Warenbestände,
  • Webseiten mit oberflächlichen Informationen zur Produktpalette sowie fehlende Angaben zu Kontaktmöglichkeiten,
  • Häufig wechselnde Ansprechpartner in den Unternehmen.

4. Empfehlungen für die Praxis

Für die Praxis bieten sich insbesondere die folgenden Schutzmaßnahmen an:

  • Etablierung bzw. Anpassung innerbetrieblicher Kontrollsysteme (IKS)
    Die Etablierung bzw. Anpassung innerbetrieblicher Kontrollsysteme dient als Schutzschild gegen eine unbeabsichtigte Beteiligung an Umsatzsteuerhinterziehungen in Lieferketten. Basis für ein solches Schutzschild ist die Erstellung eines Katalogs mit Anhaltspunkten für umsatzsteuerliche Unregelmäßigkeiten und möglichen Verhinderungsmaßnahmen. Ferner sollten zur Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere im operativen Bereich, Schulungen durchgeführt werden. Ein IKS hilft betroffenen Unternehmern, sich von einem Vorwurf des „Hätte-wissen-Müssens“ gegenüber dem Finanzamt zu entlasten.
  • Dokumentation der Entscheidungsprozesse
    Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Aufrechterhaltung bzw. Aufnahme von Geschäftsbeziehungen sollten genau dokumentiert werden, um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten gegenüber dem Finanzamt im Zweifel nachweisen zu können. Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung müssen bei Verdachtsmomenten oberste Priorität haben.

Das Umsatzsteuer-Kompetenzteam von LHP berät Sie gern in allen Fragen der komplexen umsatzsteuerlichen Thematik „Vorsteuerabzug in Lieferketten im Lichte des § 25f UstG“. Das Finanzamt bringt unter Verweis auf § 25f UStG regelmäßig immer wieder dieselben Argumente vor, um dem Unternehmer den Vorsteuerabzug zu versagen. Erfahrungsgemäß lassen sich diese jedoch in den allermeisten Fällen entkräften, so dass dem Unternehmer der Vorsteuerabzug erhalten bleibt.

Wir bieten zusammenfassend insbesondere die folgenden Leistungen an:

  • Begleitung von Betriebsprüfungen, Umsatzsteuer-Sonderprüfungen sowie Umsatzsteuer-Nachschauen
  • Abwehrberatung bzw. Begleitung und Durchführung von umsatzsteuerlichen Einspruchs- und Klageverfahren im Zusammenhang mit der Versagung des Vorsteuerabzugs durch die Finanzverwaltung.
  • „Beratung für Berater“: rund um die komplexe materiellrechtliche Materie des § 25f UStG unterstützen wir Steuerberaterkollegen gern punktuell. Mandatsschutz sichern wir gern schriftlich zu.
  • Implementierung von internen Kontrollsystemen (IKS) sowie Tax-Compliance-Management-Systemen (TCMS)
  • Ganzheitliche Beratung gemeinsam mit unseren LHP-Experten aus dem Bereich Umsatzsteuerstrafrecht
LHP: Rechtsanwälte, Fachanwälte für Steuerrecht, Steuerberater PartG mbB
Köln

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