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Vorsteuerausschluss bei Wissenmüssen von Steuerhinterziehung

Die Rechtsprechung des EuGH prägt das Recht der Umsatzsteuer. Daher nehmen die Steueranwälte von LHP insbesondere auch diese Rechtsprechung regelmäßig in den Blick.

Nach der sog. Missbrauchsrechtsprechung des EuGH (Urteil v. 18.12.2014 - Rs. C-131/13, C-163/13 und C-164/13 „Italmoda“) gilt folgendes: Sind die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist nach dieser EuGH-Rechtsprechung dennoch eine Versagung des Vorsteuerabzugs unionsrechtlich geboten, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der „Lieferkette“ bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde. 

Der EuGH hat seine bisherige Rechtsprechung mit Beschluss vom 14.4.2021 erneut bestätigt (Aktenzeichen: Rs. C-108/20 "HR"). Hierbei hat er den Finanzgerichten und Unternehmern jedoch keine weiteren Hinweise zur Konkretisierung dieser Rechtsprechung gegeben. 

Die Lösung für den nationalen Rechtsanwender kann mangels weiterer Hilfestellung durch den EuGH nur im Einzelfall gesucht werden. Die entsprechende Sachverhaltsfeststellung und Subsumtion unter die Begriffe des Wissen-Müssens und der Lieferkette ist in der praktischen Rechtsanwendung oft das eigentliche Problem (wobei die eigenständige Bedeutung des Begriffs der Lieferkette und dessen Anforderungen nach vielfacher Ansicht ungeklärt sind). 

Zur Abwehr eines Rechteausschlusses im Sinne der Missbrauchsrechtsprechung ist im Einzelfall der konkrete Sachverhalt herauszuarbeiten und auf die Feststellungslast zu verweisen:

  • Der Rechteausschluss nach der Missbrauchsrechtsprechung ist ein Ausschlusstatbestand, so dass für dessen Voraussetzungen das Finanzamt die Darlegungs- und Feststellungslast trägt.

  • Aufgrund der arbeitsteiligen Wirtschaft können Lieferketten wie eine lange Perlenschnur international bestehen. Würde allein auf die Existenz einer Lieferkette zur Begründung eines Rechteausschlusses abgestellt werden, dann würde jede legale unternehmerische Tätigkeit eine gefahrgeneigte Tätigkeit darstellen. Zudem setzt das Vorsteuerrecht gerade einen Leistungsbezug (also jedenfalls eine Lieferkette) voraus und daher kann dieses Recht nur unter besonderen Umständen versagt werden.

  • Je mehr Kettenglieder zwischen dem betroffenen Unternehmer und dem hinterziehenden Unternehmer bestehen (auf der Eingangs- oder Ausgangsseite der Leistung), desto weiter entfernt ist der Betroffene vom infizierenden Sachverhalt. Je größer diese Entfernung ist, umso mehr muss das Finanzamt begründen, dass der betroffene Unternehmer von der entfernten Hinterziehung eines anderen Unternehmers wissen musste.

  • Das Wissen-Müssen verflüchtigt sich bei zahlreichen Zwischengliedern in der Lieferkette. Umgekehrt wird dem Finanzamt der Nachweis des Wissen-Müssens umso leichter fallen, je näher der hinterziehende Unternehmer und der Betroffene in der Lieferkette verbunden sind.

  • Fraglich ist, ob zur Begründung einer Lieferkette im Sinne des Missbrauchstatbestands zusätzlich ein qualifiziertes Zutun des Betroffenen erforderlich ist und nachgewiesen werden muss (z. B. im Sinne eines Gesamtplans). Kann das Finanzamt einen Gesamtplan nachweisen, ist dies jedenfalls eine Fallgruppe, in der ein Missbrauchstatbestand zu begründen ist. Der EuGH setzt allerdings einen Gesamtplan nicht ausdrücklich voraus. Nach hier vertretener Ansicht ist die EuGH-Rechtsprechung so zu verstehen, dass kein besonderes qualifiziertes Zutun (Beitrag) erforderlich ist. Gleichwohl ist eine besondere Verhältnismäßigkeitsprüfung und Gesamtbetrachtung geboten, so dass es letztlich doch auf eine Betrachtung des Zutuns und Wissens im Einzelfall ankommt.

Hinweis: Insbesondere in den Fällen, in denen kein Gesamtplan besteht und auch kein sonstiger qualifizierter Beitrag des betroffenen Unternehmers vorliegt, sollte ein Einspruch geprüft werden. Der Rechtsprechung kann Gelegenheit gegeben werden, in diesen Fällen den Aspekt der Verhältnismäßigkeit besonders zu bewerten.

Sollte durch das Finanzamt eine Vorsteuer versagt werden, so prüfen die Steueranwälte von LHP im Einzelfall diesen Vorsteueranspruch. Hierbei ist zu sehen, dass das Umsatzsteuerrecht durch das Recht der EU geprägt ist, so dass die entsprechenden Richtlinien und die Rechtsprechung des EuGH letztlich maßgebend ist. Dies wird von den deutschen Finanzbehörden jedoch nicht immer beachtet, da sie oft an die nationalen Verwaltungsvorschriften gebunden sind, so dass dann Einspruch eingelegt werden sollte. Ein Finanzgericht ist nicht an nationale Verwaltungsvorschriften gebunden.

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