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Neuregelungen für das Straf- und Bußgeldverfahren bei Hinterziehung - AStBV (St) 2020

Die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) - AStBV (St) – sind eine Verwaltungsanweisung der Finanzverwaltung und binden daher nicht die Strafgerichte (z.B. Finanzministerium NRW v. 1.12.2019, Aktenzeichen: VV BW FinMin. 2019-12-01 S 0720/1). In der Praxis haben sie allerdings eine faktische Orientierungsfunktion für alle beteiligten Staatsorgane.

Hinweis:  Insbesondere ist die Kenntnis dieser Verwaltungsvorschriften für Steuerstrafverteidiger hilfreich, um den Ablauf eines Steuerstrafverfahrens besser einschätzen oder gar prognostizieren zu können.

1. Neue Anweisungen der Verwaltung

Es handelt sich um z.B. folgende neue Regelungen in den AStBV (St) 2020:

a) Verwendungsverbot, Nr. 16 der AStBV (St)

Diese Regelung sieht nunmehr vor, dass bei Abgabe von Steuererklärungen für spätere Zeiträume ein strafrechtliches Verwendungsverbot für frühere Jahre besteht:

Ist gegen einen Steuerpflichtigen wegen der Abgabe unrichtiger Steuererklärungen ein Steuerstrafverfahren anhängig, rechtfertigt das Zwangsmittelverbot für nachfolgende Besteuerungszeiträume weder die Nichtabgabe zutreffender noch die Abgabe unrichtiger Steuererklärungen (vgl. BGH-Beschl. v. 10.1.2002 – 5 StR 452/01). Wichtig ist nun die klare Aussage: Für die zutreffenden Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie zu einer mittelbaren Selbstbelastung für die zurückliegenden strafbefangenen Besteuerungszeiträume führen, besteht ein strafrechtliches Verwendungsverbot (so bereits der BGH mit Beschl. v. 12.1.2005 – 5 StR 191/04).

b) Tateinheit/Tatmehrheit, Nr. 17 der AStBV (St)

Der BGH hatte erneut mit Urteil vom 10.7.2019 klargestellt, dass allein die zeitgleiche Abgabe von Steuererklärungen nicht zur Tateinheit nach § 52 StGB führt. Auf diese Rechtsprechung verweist nun Nr. 17 Abs. 2 S. 3.

Hinweis: Dies gilt insbesondere auch bei der Abgabe elektronischer Erklärungen. Dies ist schon deshalb verständlich, weil jede Steuererklärung dort separat an das FA übermittelt wird und nicht in einem Paket wie z.B. bei einem Postversand (vgl. zu steuerstrafrechtlichen Fragen bei elektronischen Erklärungen: unser Rechtsanwalt Dirk Beyer, NWB Nr. 17 v. 25.4.2016, S. 1304).

c) Abgabe an die Staatsanwaltschaft, Nr. 22 der AStBV (St)

Ein Strafverfahren ist in den Fällen des § 386 Abs. 4 AO an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Ein solcher Grund liegt auch dann vor, wenn die Strafsache besondere materiell-rechtliche Schwierigkeiten aufweist, wie z.B. die nachträgliche Gesamtstrafenbildung, § 55 StGB.

d) Einschränkung der Verteidigerrechte, Nr. 34 der AStBV (St)

In Ermittlungsverfahren der BuStra und Steufa hat der Verteidiger des Beschuldigten nach Ansicht der Verwaltung nur bei der Vernehmung des Beschuldigten ein Anwesenheitsrecht. Ihm kann bei anderen Ermittlungshandlungen der BuStra oder Steufa, wie z.B. der Zeugenvernehmung, die Anwesenheit gestattet werden. Jedoch hat er auch hier nach Ansicht der Verwaltung kein Erklärungs- oder Fragerecht (Nr. 34 Abs. 3 S. 2).

Hinweis: Es kann allerdings auch aus Sicht der Ermittlungsbehörde aufschlussreich sein, den Verteidiger Fragen stellen zu lassen. In der Praxis lässt sich oftmals ein Kompromiss finden. Weiterhin besteht das Verbot, den Beschuldigten und den Zeugen in derselben Rechtssache zu vertreten (Nr. 34 Abs. 4 S. 2).

Im Unterschied hierzu ist einem zur Vernehmung des Zeugen erschienenen anwaltlichen Zeugenbeistand die Anwesenheit gesetzlich gestattet (§ 68b Abs. 1 S. 2 StPO). Zeugenbeistände sollten die Ausschlussregelungen des § 68 Abs. 1 S. 3 StPO beachten.

Hinweis: Die Praxis zeigt, dass manche Staatsanwaltschaften versuchen, mittels der Ausschlussregelungen die Verteidigung mittelbar zu behindern.

e) Ausweispflicht der Bediensteten, Nr. 44  der AStBV (St)

Die Mitarbeiter von Steufa und BuStra müssen sich ausweisen, wenn sie außerhalb der Diensträume Amtshandlungen vornehmen. Allerdings sieht Nr. 44 S. 3 eine Ausnahme für den Fall vor, dass hierdurch der Zweck der Maßnahme beeinträchtigt oder der Amtsträger gefährdet würde. Diese Ausnahmeregelung hat Bedeutung z.B. für Observationsmaßnahmen oder wenn Ermittlungen bei Steuerpflichtigen vorgenommen werden, bei denen die Amtsträger persönlich Repressalien befürchten müssen.

f) Herausgabe von Daten, Nr. 146 der AStBV (St)

Bisher war schon davon auszugehen, dass ein Herausgabeverlangen nach § 95 Abs. 1 StPO an Dritte auch die Pflicht umfasst, Daten aus einem Gesamtdatenbestand bereitzustellen (d.h. Herausfiltern, Herausziehen, Trennen und Überlassung auf einem Datenträger). Dies ist nun in Nr. 146 Abs. 3 klargestellt.

Hinweis: Rechtsabteilungen von Banken bestehen bisher oft auf einem gerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss, wenn die Banken aufgefordert werden, Daten zu Bankkunden herauszugeben. Dies dürfte einerseits daran liegen, dass Banken gegenüber dem Kunden dokumentieren möchten, dass sie „keine andere Wahl“ hatten, als die Daten herauszugeben. Zudem besteht häufig der Anschein, dass Banken hierdurch Ermittlungsbehörden disziplinieren wollen, die Anzahl der Anfragen nicht ausufern zu lassen.

g) Vermögensabschöpfung, Nr. 70 der AStBV (St)

Diese Neuregelung verweist auf ein unveröffentlichtes BMF-Schreiben (dieses wird hier für unsere Mandanten auszugsweise zitiert):

"Zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vgl. auch Praxisleitfaden zur Vermögensabschöpfung im Steuerstrafverfahren (ab 1.7.2017) – BMF, Schr. v. 26.3.2019 – IV A 4 - S 0700/07/10026-01.

Hintergrund sind die gesetzlichen Neuerungen, die ab 1.7.2017 aufgrund des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung v. 13.4.2017 (BGBl. I 2017, 872) in Kraft getreten sind und bereits in der früheren Fassung der AStBV Eingang gefunden haben."

Hinweis: Dieses nunmehr in Bezug genommene BMF-Schreiben wurde noch nicht veröffentlicht. Die bloße Bezugnahme in den AStBV genügt nicht der gebotenen Transparenz der Verwaltung. Hier besteht der Anschein, dass das BMF eine Diskussion um sein BMF-Schreiben befürchtet, da die Regelungen zur Vermögensabschöpfung vielschichtig umstritten sind.

h) Telekommunikationsüberwachung, Nr. 74 der AStBV (St)

Um auch eine Überwachung mittels Telekommunikation über das Internet sicherzustellen, sieht diese Neuregelung vor, dass sich die Telekommunikationsüberwachung nach der gesetzlichen Neuregelung in § 100a Abs. 1 S. 1 und 3 StPO auch auf informationstechnische Systeme beziehen kann (sog. Quellen-TKÜ).

Hinweis: Eine Telekommunikationsüberwachung in Steuerstrafverfahren geschieht insb. bei Ermittlungen wegen sog. Umsatzsteuerkarussellen. Hierbei ist aber auch zu sehen, dass eine TKÜ sehr personalintensiv ist.

i) Bestimmung von Tagessatzhöhe/Bußgeldhöhe, Nr. 86 der AStBV (St)

Nach dieser Regelung soll es zulässig sein, dass die Steuerfahndung dem Strafrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegt zwecks Bestimmung der Tagessatzhöhe (§ 40 Abs. 2 StGB).

Hinweis: Eine in der Verteidigerpraxis immer wieder bestehende Frage ist, ob ein aktuell „niedrig“ gerechnetes Einkommen auch dann maßgebend ist, wenn der Angeklagte erhebliches Vermögen besitzt. Nach Nr. 80 Abs. 4 AStBV (St) 2020 ist dann der Tagessatz angemessen zu erhöhen, wenn sich sonst keine fühlbare Strafe erreichen ließe. Diese Regelung bestand bisher schon und soll hier nur angeführt werden, weil Mandanten hiernach regelmäßig fragen.

m) Anordnung von Fahrverboten, Nr. 90 Abs. der AStBV (St)

Nach § 44 Strafgesetzbuch - StGB - kann ein Fahrverbot auch bei nicht verkehrsbezogenen Straftaten verhängt werden. Die Anordnung eines Fahrverbots kommt in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann (OLG Düsseldorf v. 28.3.2019 – 2 RVs 15/19).

Hinweis: Die Aufnahme in die AStBV ist als Hinweis an die Strafsachenstellen zu sehen, auch die Möglichkeit der Anordnung von Fahrverboten in Steuerstrafverfahren zu prüfen. Dies lässt künftig in Einzelfällen entsprechende Nebenfolgen bei Strafbefehlsanträgen befürchten.

2. Konsequenzen für die Praxis als Steuerstrafverteidiger

Die Neuregelungen der AStBV (St) 2020 enttäuschen insb. im Bereich der Umsetzung der Regelung zur Vermögensabschöpfung. Erneut hat sich die Finanzverwaltung auch nicht in wichtigen Diskussionsfeldern im Bereich der Selbstanzeige positioniert. Insbesondere äußern sich die AStBV (St) 2020 nicht konkreter zum Spannungsfeld zwischen einer Selbstanzeige und einer bloßen Berichtigungserklärung (vgl. hierzu auch den BMF-Anwendungserlass v. 23.5.2016 zur Abgrenzung zwischen Berichtigungserklärungen und Selbstanzeigen und die Praxishinweise hierzu von unserem Rechtsanwalt Dirk Beyer in der Fachzeitschrift NZWiSt 2016, 234).

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