Mit Zustimmung des Bundesrats hat der Bundestag das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ beschlossen. Die Umsetzung dieses Gesetzes erfolgt durch Einführung der §§ 138d bis 138k in die Abgabenordnung und muss spätestens mit Ablauf des 31.12.2019 erfolgen.
Die Gesetzesinitiative setzt eine EU-Richtlinie um. Diese hatte der EU-Ministerrat am 25. Mai 2018 verabschiedet. Die Richtlinie enthält Transparenzvorschriften für Intermediäre (z.B. Steuerberater), die internationale Steuergestaltungen begleiten. Die Richtlinie verfolgt das Ziel, Steuermissbrauch zu bekämpfen und eine faire Besteuerung in der EU zu gewährleisten. Die Richtlinie war spätestens bis zum 31. Dezember 2019 in nationales Recht umzusetzen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung sind die immer komplexer werdenden internationalen Steuergestaltungen Anlass für die Reform. Auch innerhalb der EU machen sich Steuergestaltungen die hohe Mobilität von Kapital, Personen und immateriellen Wirtschaftsgütern zunutze. Der Wunsch des Gesetzgebers ist es, grenzüberschreitende Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerungen zeitnah zu identifizieren. Man erhofft sich dadurch schneller als bisher Gesetzeslücken schließen zu können und so das deutsche Steuersubstrats zu sichern. Denn durch die Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen erhalten die Finanzbehörden der Mitgliedstaaten der EU umfassende Informationen über die als relevant eingestuften Steuergestaltungen.
Die Mitteilungspflicht trifft vorrangig den Intermediär. Intermediär ist, wer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet. Dieser hat bestimmte, als relevant eingestufte steuerliche Gestaltungen den Finanzbehörden mitzuteilen. In Fällen, in denen sich der Intermediär auf ein berufsrechtliches Verschwiegenheitsrecht beruft – hierzu zählen insbesondere Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer –, es keinen Intermediär gibt oder der Nutzer die Steuergestaltung selbst konzipiert hat (In-house-Gestaltung), geht die Verpflichtung zur Mitteilung auf den Nutzer der Steuergestaltung selbst über.
Nutzer einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist jede natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft, Gemeinschaft oder Vermögensmasse, der die grenzüberschreitende Steuergestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird. Darüber hinaus muss dieser Nutzer bereit sein, die grenzüberschreitende Steuergestaltung umzusetzen oder den ersten Schritt zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung gemacht haben. Im Fall der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht hat der Intermediär den Nutzer nicht nur über die Möglichkeit der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht zu informieren, sondern ihm im Fall der Nichtentbindung auch die für eine Mitteilung relevanten Daten zur Verfügung zu stellen.
Der Intermediär hat dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die im Gesetz näher bestimmten grenzüberschreitende Steuergestaltungen mitzuteilen. Die mitteilungspflichtigen Tatbestände sind sehr umfassend. Auch der Begriff „Steuergestaltung“ ist weit zu verstehen. Er umfasst unter anderem die Schaffung, die Zuordnung, den Erwerb oder die Übertragung von Einkünften oder deren Quellen auf einen bestehenden Rechtsträger sowie die Gründung oder den Erwerb einer die Einkünfte erzielenden juristischen Person, z.B. also die Gründung einer Tochtergesellschaft und Ausstattung derselben mit Kapital, um anschließend Anteile auf diese zu übertragen.
Die Grenzüberschreitung liegt vor, wenn eine Gestaltung eine oder mehrere Steuern zum Gegenstand hat, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden ist. Erfasst sind beispielsweise die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer, die Gewerbesteuer sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer, aber auch die Luftverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die nichtharmonisierten Verbrauchsteuern (z.B. Kaffeesteuer).
Zudem sind Steuergestaltungen erfasst, die – neben weiteren Voraussetzungen – mehr als einen Mitgliedstaat der EU oder mindestens einen Mitgliedstaat der EU und einen Drittstaat betreffen und die mindestens eines der Kennzeichen des § 138e AO aufweist. Zu diesen Kennzeichen zählen unter anderem
Die einzelnen zu übermittelnden Daten, z.B. Angaben zum Intermediär, zum Nutzer, zu verbunden Unternehmen des Nutzers, Einzelheiten über die Kennzeichen i. S. d. § 138e AO sowie den wesentlichen Inhalt der grenzüberschreitenden Steuergestaltung, sind detailliert in § 138f Abs. 3 AO aufgeführt.
Die Steuergestaltungen sind dem Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über eine amtlich bestimmte Schnittstelle zu übermitteln.
In einem nächsten Schritt sollen die deutschen Finanzbehörden die erlangten Informationen zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen mit Finanzbehörden anderer Mitgliedstaaten automatisch austauschen. Die übermittelten Daten werden hierzu durch das BZSt im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs in das von der EU-Kommission eingerichtete sichere Zentralverzeichnis eingestellt.
Zu beachten ist darüber hinaus, dass der Nutzer – sofern er eine grenzüberschreitende Steuergestaltung verwirklicht – dies in der nach § 138k S. 1 AO maßgeblichen Steuererklärung abgeben muss. Hierbei genügt es, in der Steuererklärung die vom BZSt zugeteilte Registriernummer (§ 138f Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AO) und die Offenlegungsnummer (§ 138f Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AO) anzugeben.
Nicht vom Anwendungsbereich des EU-Amtshilfegesetzes umfasst – und damit auch nicht mitteilungspflichtig – ist die (Einfuhr-)Umsatzsteuer als direkte Steuer. Sie ist Gegenstand der Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie. Ausgenommen sind auch harmonisierte Verbrauchsteuern und Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach dem Zollkodex der Union.
(Noch) Nicht erfasst sind rein nationale Steuergestaltungen. Es bleibt abzuwarten, wann die Begehrlichkeiten des Finanzministeriums so gestiegen sind, dass auch diese meldepflichtig werden.
Nach § 138f Abs. 2 AO ist die Mitteilung innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt des ersten mitteilungspflichtigen Ereignisses zu erstatten. Die Mitteilungsfrist beginnt
Gemäß § 379 Abs. 2 und 7 AO kann mit einem Bußgeld von bis zu 25 000 Euro belegt werden, wer vorsätzlich oder leichtfertig
Mit der Erweiterung der bereits bestehenden Meldepflichten auch auf grenzüberschreitende Steuergestaltungen reagiert die EU und der deutsche Gesetzgeber auf die in der Öffentlichkeit sehr prominent diskutierten Fälle des Missbrauchs, insbesondere in Form der Cum-Ex und Cum-Cum Geschäfte. Bemerkenswert daran ist, dass die „Missstände“ in diesen Fällen zum einen hinlänglich bekannt waren – eine Gesetzesanpassung aber viel zu spät und dann auch noch unzureichend erfolgte. Ob seinerzeit die nun eingeführte Meldepflicht an diesem Zustand etwas geändert hätte, darf bezweifelt werden. Abzuwarten bleibt auch, ob die nun eingeführten Meldepflichten insbesondere für Steuerberater und Rechtsanwälte noch einen zulässigen Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit darstellen oder sie nicht vielmehr eine unzulässige Verletzung der geschützten Vertrauenssphäre zwischen Steuerberater/Rechtsanwalt und seinem Mandanten darstellen. Im Ergebnis ist den Betroffenen bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen zu raten, die erforderlichen Information zu sammeln und mit dem Steuerberater/Rechtsanwalt zu klären, ob eine Meldepflicht besteht oder nicht.
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