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Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden einer Kapitalgesellschaft auch bei Liquiditätsmangel

Das FG Münster stellte in seinem Beschluss vom 15.10.2021 (9-V-2341/21-K) fest, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft eine Pflichtverletzung begeht und haftet, wenn er die Steuerschulden der Gesellschaft - selbst bei mangelnden Mitteln - nicht zumindest im gleichen Verhältnis tilgt, wie die Forderungen der anderen Gläubiger (Grundsatz der anteiligen Tilgung).

In dem zugrundeliegenden Fall ergingen gegen eine Kapitalgesellschaft nach einer Betriebsprüfung geänderte Körperschaft- sowie Gewerbesteuermessbescheide. Diese wurden nach einer Einspruchsentscheidung im Februar 2021 bestandskräftig. Die einzige Geschäftsführerin der Kapitalgesellschaft stellte am gleichen Tag einen Insolvenzantrag, da die Mittel aufgrund der plötzlich höheren Steuerlast sowie der andauernden Corona-Krise nicht mehr reichten, um die sich häufenden Schulden zu begleichen.

Das zuständige Finanzamt erließ im April 2021 einen Haftungsbescheid gegen die Geschäftsführerin für die Steuerschulden der Kapitalgesellschaft, mit der Begründung, die Geschäftsführerin habe die Pflichten aus dem Steuerschuldverhältnis der Kapitalgesellschaft nicht erfüllt. So beglich sie etwa die laufenden Verbindlichkeiten für Umsatzsteuer, jedoch nicht die hinzugekommene Körperschaftsteuer. Die Geschäftsführerin berief sich darauf, dass sie keine Möglichkeit gehabt habe, diese Forderungen zu erfüllen, da die Gesellschaft wegen der Corona-Krise nur geringe Einnahmen gehabt habe und die Auftragslage immer schlechter geworden sei.

Das Gericht gab dem Finanzamt nun mit seinem Beschluss zum Teil recht. Es bejahte die Haftung der Geschäftsführerin nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach gesetzliche Vertreter haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

Eine Pflichtverletzung wird nach ständiger Rechtsprechung des BFH angenommen, wenn der gesetzliche Vertreter es versäumt, die Steuerschulden der Gesellschaft in etwa in dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Forderungen der anderen Gläubiger, sog. Grundsatz der anteiligen Tilgung. Grob fahrlässig ist eine Pflichtverletzung, wenn der Handelnde die Sorgfalt, zu welcher er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlichen hohem Maße außer Acht lässt.

Hinweis vom LHP: Wann eine solche haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit eines Geschäftsführers vorliegt, richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls. Die erfahrenen Steuerberater von LHP helfen Ihnen die wichtigsten Umstände zu erkennen, abzuwägen und so eine Haftung durch effektive Compliance zu verhindern.

Wenn die Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Steuerfälligkeit oder danach nicht mehr über genügend Mittel verfügt um sämtliche Gesellschaftsverbindlichkeiten einschließlich der Steuerschulden zu tilgen, dann handelt der Geschäftsführer in der Regel grob fahrlässig, wenn er die vorhandenen Mittel nicht zu einer in etwa gleichmäßigen Befriedigung aller Verbindlichkeiten einsetzt. So verhielt es sich in dem zugrundeliegenden Fall, da die Geschäftsführerin die Körperschaft- und Gewerbesteuerschulden außer Acht ließ und allein die sonstigen Gläubiger befriedigte.

Dass die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuernachforderungen erst nachträglich, nach einer durchgeführten Betriebsprüfung festgesetzt wurden, konnte die Geschäftsführerin nicht entlasten. Denn nach dem akzessorischen Haftungstatbestand des § 69 Abs. 1 S. 1 AO ist maßgeblich, dass die Steuerschuld des Vertretenen materiell-rechtlich entstanden ist. Das bedeutet, die Steuer ist schon durch Verwirklichung des Steuertatbestandes – vor der eigentlichen Betriebsprüfung – entstanden. Im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 1 AO kann der Geschäftsführerin jedoch frühestens mit Erlass der Änderungsbescheide ein Vorwurf im Sinne einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung gemacht werden. Dies beruht schon darauf, dass sie vorher nicht wissen konnte, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie die anteilige Tilgung vornehmen muss.

Im vorliegenden Fall konnte die Geschäftsführerin aufgrund einer groben Pflichtwidrigkeit in die Haftung genommen werden, da sie – nachdem die Änderungsbescheide hinsichtlich der Körperschaft- und Gewerbesteuer ergingen – nur die Umsatzsteuerschulden und nicht auch anteilig die hinzugekommenen Körperschaft- und Gewerbesteuern tilgte, obwohl sie ab dem Erlass der Änderungsbescheide auch von den anderen Steuern Kenntnis hatte.

Praxishinweis: Auch bei fehlenden Mitteln müssen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (zumindest zum Teil) beglichen werden. Das Finanzamt darf somit nicht schlechter gestellt werden als die übrigen Gläubiger. Auch nachträglich – nach einer Betriebsprüfung – entstehende Steuerschulden sind spätestens dann mit in die Betrachtung einzubeziehen, wenn diese von einer Steuerbehörde fälligkeitsbegründend festgesetzt wurden und ein Leistungsgebot erging. Während der laufenden Betriebsprüfung muss der Geschäftsführer in dieser Hinsicht noch nichts unternehmen, da er nicht wissen kann, ob und inwieweit die Gesellschaft Steuernachzahlungen zu leisten hat und sich somit – hinsichtlich der anteiligen Tilgungspflicht – auch nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig pflichtwidrig verhalten kann.

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