Scheidet ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft aus, erhält er grundsätzlich als Ausgleich für seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen eine Abfindung in Höhe des sog. Auseinandersetzungsguthabens (§738 BGB). Das entspricht derjenigen Summe, die er ansonsten bei Auflösung und Auseinandersetzung der Gesellschaft erhalten würde.
Um die Höhe der Abfindung ermitteln zu können ist eine Bewertung der Gesellschaft notwendig. Im Bewertungsverfahren wird nach der gesetzlichen Regelung der Verkehrswert ermittelt.
Weil die Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen zu zahlen ist, wird anhand von vertraglichen Abfindungsklauseln in Gesellschaftsvertrag versucht, die gesetzlichen Regelungen zu modifizieren, indem die Abfindung in der Höhe beschränkt wird. Damit soll die Liquidität und die Substanz des Unternehmens erhalten werden. Auch die Offenlegung stillen Reserven soll verhindert und Streitigkeiten über die Abfindungshöhe durch eine klare gesellschaftsvertragliche Regelung vermieden werden. Durch eine Begrenzung der Abfindung können austrittswillige Gesellschafter auch zum Verbleiben in der Gesellschaft veranlasst werden. Grundsätzlich ist eine Beschränkung des Abfindungsanspruch durch Abfindungsklauseln auch zulässig, allerdings nur in angemessener Weise, worauf im Folgenden noch eingegangen wird.
Fast jeder Gesellschaftsvertrag enthält Abfindungsklauseln für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters. Im Interesse der Gesellschaft beschränken diese Abfindungsklauseln in der Regel den gesetzlichen Abfindungsanspruch des Gesellschafters, der sich nach dem Verkehrswert der Gesellschaft bemisst. Grundsätzlich ist eine Beschränkung des Abfindungsanspruches auch zulässig, allerdings gilt es, das gegenläufige Interesse des Gesellschafters an einer möglichst dem Wert der Gesellschaft entsprechenden Abfindung zu wahren und eine für beide Seiten angemessene Regelung zu finden. Andernfalls droht die Unwirksamkeit der Klausel, mit der Folge, dass nach der gesetzlichen Regelung abzufinden ist. Deshalb sollte zum einen der Gestaltung von Abfindungsklauseln besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden und zum anderen eine regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Klauseln erfolgen.
Folgende Arten von Abfindungsklauseln finden sich regelmäßig in Gesellschaftsverträgen:
1. Vollständiger Ausschluss der Abfindung
Ein vollständiger Ausschluss der Abfindung wird in den Fällen des Ausscheidens aus der Gesellschaft durch Tod des Gesellschafters für zulässig erachtet, denn insoweit müssen die Interessen des verstorbenen Anteilseigners nicht mehr gewahrt werden. Vielmehr stehen hierfür erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten im Vordergrund. Ebenso wie der einzelne Gesellschafter im Rahmen der Testierfreiheit seinen Gesellschaftsanteil zum Gegenstand einer Verfügung von Todes wegen machen kann, steht es ihm frei, durch die gesellschaftsvertragliche Regelung eines Abfindungsausschlusses für den Todesfall festzulegen und seinen Gesellschaftsanteil wertmäßig den verbleibenden Gesellschafter zuzuwenden. Gleiches gilt für das Ausscheiden aus einer Gesellschaft, die keine finanziellen Ziele sondern ausschließlich ideelle oder gemeinnützige Zwecke verfolgt.
2. Nennwertklauseln
Nennwertklausel beschränken die Abfindung auf die nicht durch Verluste geminderte Einlage des Gesellschafters.
3. Buchwertklauseln
Buchwertklauseln begrenzen die Höhe der Abfindung auf den Buchwert des Gesellschaftsanteils. Dieser entspricht der anteiligen Bewertung des Gesellschaftsvermögens (Aktivposten abzüglich Schuldposten) mit den Buchwerten des handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Unberücksichtigt bleiben dagegen die im Gesellschaftsvermögen enthaltenen aber nicht bilanzierten stillen Reserven sowie der Geschäfts- oder Firmenwert.
4. Substanzwertklauseln
Teilweise wird auch die sog. Substanzwertmethode für die Berechnung der Abfindungshöhe zugrunde gelegt. Bei der Bewertung werden die einzelnen Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens (Aktivposten abzüglich Schuldposten) unter Aufdeckung etwaiger stiller Reserven mit dem Marktwert angesetzt. Diese Bewertungsmethode findet sich gelegentlich bei Gesellschaften, die über umfängliches nicht betriebsnotwendiges Vermögen verfügen.
5. Abfindungsklausel unter Zugrundelegung des Stuttgarter Verfahrens
Einige Abfindungsklauseln orientieren sich an dem von der Finanzverwaltung entwickelten Stuttgarter Verfahren. Dieses Verfahren wurde ursprünglich zur Bewertung von nicht börsennotierten Anteilen an Kapitalgesellschaften entwickelt und ist seitdem mehrfach geändert worden. Bei Anwendung dieses Verfahrens wird ein Mischwert aus dem Vermögenswert (Einheitswert) des Betriebsvermögens nach Steuerbilanzwerten und dem steuerlichen Durchschnittsertrag der letzten drei Geschäftsjahre erfasst. Dabei wird das letzte Geschäftsjahr überproportional berücksichtigt.
Bei den Abfindungsklauseln, die auf das Stuttgarter Verfahren verweisen, ist zu unterscheiden, ob eine statische oder dynamische Verweisungsklausel vorliegt. Eine dynamische Klausel knüpft an die jeweils im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters geltende Fassung des Stuttgarter Verfahrens an, wohingegen bei der statischen Klausel die zur Zeit des Abschlusses des Gesellschaftsvertrag geltende Fassung Anwendung findet. Dies kann zu völlig unterschiedlichen Bewertungsergebnissen und damit zu unterschiedlichen Abfindungsbeträgen führen.
Mit Wegfall der Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer wird der Vermögenswert von Betriebsvermögen auch nicht mehr im Jahresturnus festgestellt, sondern nur noch im Bedarfsfall für Erbschafts- und Schenkungszwecke. Da eine kontinuierliche Wertermittlung durch die Finanzverwaltung nicht mehr erfolgt, entfällt für den Gesellschafter die Möglichkeit sich über die Höhe seines Abfindungsanspruches bei einer unabhängigen Stelle zu informieren. Die gewünschte Schlichtungsfunktion der Klausel ist somit nicht mehr gegeben.
Diese Bewertungsmethode führt häufig zu eher zufälligen Ergebnissen, die den gemeinen Wert des Unternehmens nicht zuverlässig wiedergeben. Durch steuerbilanzpolitische Maßnahmen kann die Bewertung beeinflusst werden. Dies kann zur Folge haben, dass gerade bei ertragsstarken oder anlageintensiven Unternehmen der Steuerwert weit hinter dem Verkehrswert zurückbleibt und eine Abfindung nach dem Stuttgarter Verfahren von der Rechtsprechung als unangemessen eingestuft wird. Denn auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 7. November 2006 zur Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuer unter anderem aus den oben genannten Gründen Kritik an der Anwendung des Stuttgarter Verfahrens für Unternehmensbewertungen geübt.
6. Ertragswertklauseln
Als angemessene Bewertungsmethode ist von der Rechtsprechung die sog. Ertragswertmethode anerkannt. Sie bemisst sich an den von der Betriebswirtschaftslehre für die Unternehmensbewertung entwickelten Grundsätzen. Grundlage für den Unternehmenswert nach dieser Methode ist der Barwert der den Anteilseigners zufließenden zukünftigen Erträge des Unternehmens. Bei dieser Prognoseberechnung werden auf der Basis einer Analyse der in der Vergangenheit erzielten Erträge unter Berücksichtigung der einschlägigen Entwicklungsindikatoren des Unternehmens und des Marktes die künftig erzielbaren Erträge kapitalisiert. Die Erträge werden allerdings nur in Höhe der Ausschüttungsquote erfasst und risikoadäquat abgezinst. Mitberücksichtigt wird auch der Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.
Bei der Begrenzung des Abfindungsanspruchs durch gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln sind, wie bereits angedeutet, rechtliche Schranken zu beachten. So können Abfindungsklauseln sittenwidrig sein. Sittenwidrigkeit der Klausel kann vorliegen, wenn die gesellschaftsvertraglich festgelegte Abfindung vollkommen außer Verhältnis zu dem an sich legitimen Anliegen steht, im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Dabei kann eine Klausel von Anfang an wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein oder aber erst im Laufe der Zeit die rechtlich zulässigen Grenzen überschreiten. Liegt eine originär nichtige Abfindungsregelung, vor wird dem ausscheidenden Gesellschafter eine Abfindung zum Verkehrswert seines Gesellschaftsanteils geschuldet.
1. Grobes Missverhältnis
Von Anfang an nichtig können Abfindungsklauseln sein, bei denen ein grobes Missverhältnis zwischen der gesellschaftsvertraglich geschuldeten Abfindung und dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters besteht. Feste Grenzen, ab wann ein solches grobes Missverhältnis angenommen werden kann, lassen sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung leider noch nicht entnehmen. Jedoch ist eine Abfindung, deren Höhe deutlich unter 50 % des Verkehrswertes des Gesellschaftsanteils des scheidenden Gesellschafters liegt, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dem Verdikt eines Sittenverstoßes ausgesetzt. Diese Gefahr bergen insbesondere Abfindungsklauseln mit denen versucht wird, aus dem Saldo der Einzelwerte der Vermögensgegenstände und den Schulden einen statischen bzw. vergangenheitsorientierten Wert der Gesellschaft zu berechnen. Dies ist bei Nennwert-, Buchwert-, Substanzwertklauseln sowie Klauseln, die auf das Stuttgarter Verfahren Bezug nehmen der Fall.
Umgekehrt hält eine Klausel, die mindestens eine Abfindung in Höhe von 50 % des Verkehrswertes des Gesellschaftsanteils vorsieht, aber nicht in jedem Fall einer gerichtlichen Überprüfung stand, bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit berücksichtigt die Rechtsprechung alle Umstände des Einzelfalles, wie z.B.:
Bei Aufnahme einer Abfindungsklausel in den Gesellschaftsvertrag sollte daher immer überprüft werden, welche Abfindung nach dem Gesellschaftsvertrag geschuldet wäre und wie sich diese zum tatsächlichen Wert des Gesellschaftsanteils verhält.
2. Gläubigerbenachteiligung
Abfindungsklauseln können wegen Gläubigerbenachteiligung nichtig sein. Viele Gesellschaftsverträge sehen für den Fall der Insolvenz des Gesellschafters oder der Pfändung seines Gesellschaftsanteils das Ausscheiden aus der Gesellschaft vor. Gleichzeitig wird die zu zahlende Abfindung vertraglich stark verkürzt. Zweck solcher Regelungen ist das Bestreben der verbleibenden Gesellschafter, möglichst wenig Kapital an die Gläubiger des Gesellschafters zahlen zu müssen. Eine solche Klausel ist jedoch regelmäßig unzulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag nur für den Fall der Gläubigervollstreckung eine Abfindungsbeschränkung vorsieht. Andererseits ist eine Abfindungsklausel nicht zu beanstanden, wenn sie nicht nur für den Fall der Pfändung des Gesellschaftsanteils, sondern auch für die Fälle der Ausschließung des Gesellschafters aus wichtigem Grund oder der zwangsweisen Einziehung eines Geschäftsanteils, z.B. bei einer GmbH-Satzung handelt, eine Abfindungsbeschränkung regelt. Vergleichbare Abfindungsvorgänge werden dann gleich behandelt, so dass eine Gläubigerdiskriminierung nicht vorliegt.
3. Unzulässige Kündigungsbeschränkung
Wird für den Fall der Kündigung eines Gesellschafters die zu zahlende Abfindung im Gesellschaftsvertrag derart unzumutbar verkürzt, dass ein vernünftiger Gesellschafter nicht von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen wird, so führt dies ebenfalls zur Nichtigkeit der Abfindungsklausel wegen einer unzulässigen Kündigungsbeschränkung(§723 Abs.3 BGB). Die Rechtsprechung hat eine solche unzulässige Kündigungsbeschränkung in einem Fall angenommen, in dem der Gesellschaftsvertrag für den Fall der Kündigung eine Abfindung vorsah, die ungefähr 29 % des Liquidationswertes entsprach. Auch an dieser Stelle ist also darauf zu achten, dass das Kündigungsrecht durch die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindung nicht ausgehöhlt wird.
4. Durch Zeitablauf unzulässig gewordene Abfindungsklauseln
Abfindungsregelungen, die erst durch Zeitablauf unangemessen werden, führen dazu, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Höhe einer angemessenen Abfindung zu bestimmen ist. Hierbei ist festzustellen, was die Parteien des Gesellschaftsvertrag für eine Abfindungsregelung getroffen hätten, wenn sie vorhergesehen hätten, dass die vertraglich geregelte Abfindung zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters aus der Gesellschaft nicht mehr angemessen ist. Dies ist jedoch – wie die uneinheitliche Rechtsprechung des BGH zeigt – im Einzelfall schwer zu beurteilen. Der zu zahlende Abfindungsbetrag liegt in diesen Fällen meist zwischen dem vereinbarten und einem dem Verkehrswert entsprechendem Betrag. Denn es soll ein zumutbarer Ausgleich zwischen dem mit der Klausel verfolgten Interesse, die Liquidität der Gesellschaft nicht zu gefährden, und dem Interesse des ausscheidenden Gesellschafters, eine angemessene Abfindung zu erhalten, gefunden werden.
Abfindungsklauseln sollten regelmäßig überprüft (wertorientierte Prüfung von Gesellschaftsverträgen) und unter Umständen angepasst werden, um nicht deren Nichtigkeit zu riskieren. Ferner ist zu beachten, dass die Unternehmensplanung die Abfindungsansprüche über die Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode mittelbar stark beeinflusst. Der Unternehmensplanung sollte also generell eine entsprechend gesteigerte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Sie sollte eine mehrjährige integrierte Finanzplanung beinhalten, die einen jederzeitigen Zugriff auf detaillierte Planergebnisrechnungen, Planbilanzen und Plankapitalflussrechnungen ermöglicht. Diesem dynamischen Prozess der Unternehmensplanung sollten auch die Abfindungsklauseln Rechnung tragen und eine individuelle, flexible und auch auf die Zukunft gerichtete Berechnungsformel beinhalten. So ist ohne größere zusätzliche Belastung eine gesellschaftsvertragliche Verknüpfung mit einem individuellen Unternehmensbewertungskalkül realisierbar.
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