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Finanzämter nutzen vermehrt Sammelauskunftsersuchen

Die Steueranwälte von LHP geben hier erste Hinweise zu sog. Sammelauskunftsersuchen. Eine genauere Beurteilung im Einzelfall z.B. durch eine Erstberatung kann hierdurch natürlich nicht ersetzt werden.

Was ist ein Sammelauskunftsersuchen?

Sammelauskunftsersuchen haben eine Vielzahl von Einzelfällen zum Gegenstand und unterscheiden sich hierdurch von Einzelauskunftsersuchen. Auch für Sammelauskunftsersuchen sind die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 AO maßgebend, wobei diese Ersuchen in jeder Art steuerlicher Ermittlungsverfahren möglich sind, z.B. im Veranlagungsverfahren, im Einspruchsverfahren, im Außenprüfungsverfahren und im Verfahren der Steueraufsicht durch die Steuerfahndung gem. § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Abzugrenzen ist hiervon die strafrechtliche Ermittlung der Steuerfahndung, welche sich nicht nach der AO, sondern nach den Regeln der StPO richtet.

Beispiel: Anfragen des Finanzamtes an eine Vermittlungsagentur für Honorarärzte, Daten zu allen Ärzten offen zu legen, die im Jahr 2015 mindestens 50.000 Euro Honorar von der Agentur bzw. dem Einsatzort erhalten haben. Grenzen für Sammelauskunftsersuchen: Ein Auskunftsersuchen unterliegt den rechtsstaatlichen Grenzen, so dass insb. keine Auskunft verlangt werden darf, deren Erteilung dem Betroffenen tatsächlich und rechtlich unmöglich ist. Dies hat das FG Niedersachsen ausdrücklich festgestellt (Az: 5 K 397/10). Eine Auskunft über den Inhalt elektronisch gespeicherter Daten ist möglich, wenn der Betroffene tatsächlich über die Speichermedien verfügen kann oder er seinerseits einen rechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Daten oder auf Auskunft hat.

Der konkrete Fall des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen:

Die Klägerin K mit Geschäftssitz in Deutschland war Dienstleisterin für eine Mutter- (M) und Schwestergesellschaft (S) in Luxemburg. M betrieb eine Online-Handelsplattform, auf welcher M selbst Waren zum Verkauf anbot. Soweit auch Dritte dort Waren verkauften, wurde diese Plattform durch S betrieben. K leistete für M und S in diesem Zusammenhang Dienste im Bereich EDV und Support gegenüber Händlern und Kunden. Mit Auskunftsersuchen begehrte das beklagte Finanzamt (FA) folgende Auskunft: „Welche Nutzer der Internetseite www.xy.de mit Wohn- oder Firmen- bzw. Geschäftssitz in Niedersachsen haben in der Zeit vom 1.1.2007 bis 31.12.2009 für mehr als 17.500 € pro Jahr Verkäufe über vorgenannte Internetseite getätigt?“. Hierzu verlangte das FA außerdem Angaben z.B. zu Namen und Anschriften und den gespeicherten Verkäufen des betreffenden Händlers. Zur Begründung führte das FA aus, dass „im Rahmen umfangreicher Internetermittlungen der Steuerverwaltung festgestellt wurde, dass Nutzer von Internetplattformen, bei der die Möglichkeit des anonymen Verkaufs besteht, ihre steuerlichen Pflichten nicht immer ordnungsgemäß erfüllen“. Das FA verwies ferner darauf, dass K in früheren Einzelfällen mehrfach Daten Dritter im Rahmen von Einzelauskunftsersuchen genannt habe und daher K die Auskunft möglich sein müsse. Der Sprungklage gegen dieses Auskunftsersuchen stimmte das FA nicht zu, sondern wies sie als Einspruch durch Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück. Hiergegen richtete sich die Anfechtungsklage der K. K machte geltend, dass ihr die Auskunft nicht möglich gewesen sei. Sie habe als bloße Dienstleisterin für M und S nicht die Verfügungsgewalt über die Daten der Dritten besessen und habe auch keinen eigenen Anspruch gegen S auf Mitteilung der Daten betreffend die Dritten gehabt.

FG Niedersachsen hat der Klage zum Erfolg verholfen:

Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Die Auskunft sei K nicht möglich gewesen, da sie als Dienstleisterin nicht die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über die Daten Dritter gehabt habe. Allein M habe diese Herrschaftsgewalt besessen und K habe mangels gesetzlicher oder vertraglicher Rechtsgrundlage auch keinen eigenen Auskunftsanspruch gegen M geltend machen können. Der Umstand, dass K in der Vergangenheit vereinzelt Auskunft erteilt habe, beruhte allein auf der freiwilligen Mitwirkung der S und K im Rahmen von Einzelauskunftsersuchen. Aufgrund der Unmöglichkeit überschreite das Auskunftsersuchen die rechtsstaatlichen Grenzen.

Hinweis der Steueranwälte von LHP: Aufgrund der besonderen Umstände, dass K selbst die Auskunft nicht möglich war, war das Ersuchen bereits aus diesem Grunde rechtswidrig, so dass offen blieb, wie das Gericht im gegenteiligen Fall über das Sammelauskunftsersuchen entschieden hätte.

Gebot der Erforderlichkeit

Für ein Sammelauskunftsersuchen muss ein hinreichender Anlass bestehen, worauf das Gericht im vorliegenden Fall nicht eingehen musste. Für einen hinreichenden Anlass ist kein begründeter Verdacht notwendig. Vielmehr genügt es, wenn im Rahmen einer Prognoseentscheidung aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit der Geschäftsabwicklung, vgl. BFH v. 5.10.2006 – VII R 63/05, AO-StB 2007, 59) die Möglichkeit einer Steuerverkürzung besteht. Nicht hinreichend ist die allgemeine nach der allgemeinen Lebenserfahrung gerechtfertigte Vermutung, dass in jedwedem Zusammenhang Steuern nicht selten verkürzt werden (zu Anfragen an Kreditinstitute betreffend Bankkunden vgl. BFH v. 16.1.2009, Aktenzeichen: VIII R 25/08). Sonst würde es sich um eine unzulässige Ermittlung „ins Blaue hinein“ handeln. Übertragen auf den vorliegenden Fall (FG Niedersachsen) dürfte nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH ein hinreichender Anlass bestehen, da es hierzu nicht zwingend auf eine erhebliche Anzahl von Fällen ankommt und daher eine auch geringe Anzahl von Erfahrungswerten genügt, wenn eine Teilnahme an einem Geschäftsmodell – wie hier die Anonymität – eine Verkürzung erleichtert.

Finanzamt muss Ermessen ausüben

Das Auskunftsersuchen erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (z.B. Kosten-Nutzen-Aufwand) zu beachten. In diesem Zusammenhang (Fall des FG Niedersachsen) ist auch zu bedenken, dass sich die Verwaltung hier im Sinne einer „Waffengleichheit“ der technischen Möglichkeiten der EDV (Internet) bedienen möchte, an die der Gesetzgeber bei Schaffung des § 93 AO nicht gedacht hat. Eine flächendeckende Sammelauskunft ist ein Systemwechsel in der Kontrolldichte, der so wesentlich ist, dass der Gesetzgeber § 93 AO möglicherweise um eine entsprechende Regelung ergänzen müsste. Solange dies nicht geschieht, ist unklar, ob § 93 AO eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage im vorliegenden Fall ist.

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