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Ermittlungen der Finanzämter im Internet (Social Media)

Aktuelle Medienberichte z.B. in der NWB weisen auf eine Verfügung der OFD NRW zu Ermittlungen von Finanzamtsprüfern bei Facebook & Co. hin. In dieser Verfügung fordert die OFD NRW die Prüfer des Landes NRW faktisch auf, sich Zugang zu Informationen in sozialen Netzwerken zu erschleichen.

Die Begründung der OFD in ihrer Verfügung ist unhaltbar und es wäre geboten, dass diese Verfügung überarbeitet oder gar zurückgezogen wird. Die OFD hat keinerlei Bedenken, dass sich Prüfer sog. Fake-Accounts anlegen, um unter Vorspiegelung einer unzutreffenden Identität steuerlich möglicherweise relevante Informationen zu erlangen.

Dieses Vorgehen sei im Ergebnis mit Testkäufen - wie sie von Betriebsprüfern z.B. in der Gastronomie oder in Bäckerbetrieben vorgenommen werden - zu vergleichen. Testkäufe seien unproblematisch zulässig und daher müsse dies auch für ein aktives identitätsverschleierndes Vorgehen in sozialen Netzwerken gelten.

Diese Ausführungen alleine sind schon mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht vereinbar und fordern Widerspruch heraus. Doch die OFD geht noch einen Schritt weiter. So betont die OFD, dass ein solches Vorgehen sogar für solche sozialen Netzwerke zulässig sei, die nicht öffentlich sichtbar seien, sondern einen besonderen Zugang erfordern (Anmeldung einer Identität). Es liege keinerlei Grundrechtseingriff vor. Die Nutzer der Sozialen Netzwerke würden stillschweigend einer Informationsgewinnung zustimmen. Es bestünde kein schutzwürdiges Vertrauen, dass die Finanzbehörden nicht in den Sozialen Netzwerken ermitteln.

Diese Sichtweise entspricht aus unserer Sicht nicht den Erfordernissen einer transparenten und rechtsstaatlichen Verwaltung. Wir möchten hier einige unserer klaren Bedenken anführen und mitteilen. So sehen wir z.B. folgende Punkte kritisch, mit denen sich die OFD ausweislich der NWB-Nachricht nicht erkennbar auseinandergesetzt hat:  

  1. Die Verschleierung der Identität des dienstlich tätig werdenden Prüfers widerspricht der rechtstaatlich gebotenen Transparenz bei hoheitlichem Handeln.
  2. Selbstverständlich stellt die Informationsgewinnung einen Grundrechtseingriff dar. Dies gilt erst recht durch die verschleiernde Vorgehensweise, da die Betroffenen nicht wissen, mit der staatlichen Hoheitsgewalt in Kontakt zu stehen. Das BVerfG hatte bereits in seinem sog. Volkszählungsurteil klargestellt, dass eine Datensammlung einen Grundrechtseingriff darstellt (BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209, 484/83). Dieser muss gerechtfertigt sein. Ohne eine Ermächtigungsgrundlage oder eine Zustimmung der Betroffenen ist dieser Eingriff nicht gerechtfertigt. Weder die AO noch andere parlamentarische Gesetze sehen eine solche Rechtsgrundlage für das von der OFD beschriebene Vorgehen vor. Die von der OFD behauptete stillschweigende Zustimmung ist eine bloße Fiktion. Kein Nutzer Sozialer Netzwerke erklärt ausdrücklich oder gar stillschweigend, seine Daten sogar für steuerliche Zwecke preisgeben zu wollen.
  3. Die Informationen werden aufgrund einer Irreführung erlangt, so dass nicht nachvollziehbar ist, wie diese Vorgehensweise mit den Anforderungen der Datenschutzvorschriften und der entsprechenden Rechtsprechung zur Datenerhebung im Einklang stehen kann (z.B. Datenschutz- Grundverordnung). 
  4. Es spricht viel dafür, dass sich im Einzelfall steuerliche und erst recht steuerstrafrechtliche Verwertungsverbote ergeben können. Daher ist das Vorgehen der Prüfer dann bereits mangels Verwertbarkeit der Informationen ungeeignet, um einen Sachverhalt zu ermitteln.
  5. Die Intensität des Grundrechtseingriffs und die aktive Verschleierung sprechen gegen eine Vergleichbarkeit mit bloßen Testkäufen.  

Hinweis: Wir möchten auf diese Verwaltungsansicht aufmerksam machen, da wir die OFD-Verfügung für einen Testballon halten, dem aus Beratersicht schon aus rechtstaatlichen Gesichtspunkten deutlich entgegengetreten werden sollte.

Wenn ein Besteuerungsverfahren oder gar Steuerstrafverfahren aufgrund derartig erlangter "Beweismittel" eingeleitet wird, sollten Beweisverwertungsverbote geprüft werden. Unsere Steueranwälte von LHP weisen darauf hin, dass solche Beweisverwertungsverbote im Einzelfall bestehen können und es ist eine Frage der Strategie, diese zum richtigen Zeitpunkt im richtigen Verfahren geltend zu machen.

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