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BGH stellt klar: Keine analoge Anwendung des § 179a AktG auf die GmbH

In seinem Urteil vom 08. Januar 2019 (II ZR 364/18) stellt der BGH klar, dass die Vorschrift des § 179a AktG nicht – wie bislang überwiegend angenommen - analog auf die GmbH anzuwenden ist.

Rechtliche Ausgangslage

In § 179a AktG ist für die Aktiengesellschaft geregelt, dass vor Abschluss eines Vertrages, durch den sich die Gesellschaft zur Übertragung ihres ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, ein notariell zu beurkundender Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung vorliegen muss; ohne Vorlage eines solchen Beschluss wäre der entsprechende Vertrag unwirksam.

Nach bislang überwiegender Ansicht in der Literatur war die Regelung des § 179a AktG entsprechend auf die GmbH anzuwenden (vgl. beispielhaft: Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 53 Rn. 18; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 53 Rn. 26 Fn. 27; Leitzen in: Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 53 Rn. 11; Schnorbus in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 53 Rn. 24; Hoffmann in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 53 Rn. 165; Harbarth in: MüKo GmbHG, 3. Aufl., § 53 Rn. 229; Scholz/Priester, GmbHG, 11. Aufl., § 53 Rn. 176; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 53 Rn. 38; Ulmer/Casper in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 53 Rn. 165, 167).

Eine Entscheidung des BGH stand aus.

Konkreter Sachverhalt

Nunmehr hat der BGH gegen die herrschende Meinung entschieden. Der Entscheidung lag (vereinfacht) folgender Sachverhalt zugrunde:

Zwei Gesellschafter einer in Liquidation befindlichen GmbH waren zu jeweils 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt; beide Gesellschafter waren zudem alleinvertretungsberechtigte Liquidatoren. Im Zuge der Liquidation wurde das (einzige) Betriebsgrundstück, welches nahezu das gesamte Gesellschaftsvermögen ausmachte, von einem der Gesellschafter an einen Dritten veräußert, ohne zuvor die Zustimmung des anderen Gesellschafters einzuholen. Der an der Entscheidung nicht beteiligte Gesellschafter berief sich – gestützt auf § 179a AktG analog – auf eine Unwirksamkeit des Veräußerungsvertrages.

Entscheidung des BGH

Entgegen der überwiegenden Auffassung des Schrifttums hat der BGH nunmehr entschieden, dass § 179a AktG nicht analog auf die GmbH anzuwenden ist.

Nach Ansicht des BGH liegen bereits die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 179a AktG nicht vor.

Eine Analogie setze voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweise und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar sei, dass angenommen werden könne, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, NZG 2015, 511 = ZIP 2015, 778 Rn. 11; BGHZ 207, 114 = NZG 2016, 139 Rn. 23; NZG 2018, 625 = ZIP 2018, 870 Rn. 31 z. V. i. BGHZ bestimmt; NZG 2018, 1344 = ZIP 2018, 2024 Rn. 58 z. V. i. BGHZ bestimmt).

Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall; die Einflussmöglichkeiten von Gesellschaftern einer GmbH seien erheblich stärker ausgeprägt als die der Aktionäre. Da die Gesellschafter einer GmbH über deutlich stärkere Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte verfügten als Aktionäre, könne nicht angenommen werden, der Gesetzgeber hätte das den redlichen Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigende, mit Außenwirkung versehene Zustimmungserfordernis bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass des § 179 a AktG, auf die GmbH übertragen.

Das Schutzanliegen des § 179a AktG ist es, die gesellschaftsinterne Kontrolle der Geschäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften durch die Beteiligung der Gesellschafter zu gewährleisten. Dies sei im GmbH-Recht auch ohne entsprechende Anwendung des § 179a AktG verwirklicht. Denn es handele sich dabei um ein besonders bedeutsames Geschäft, bei dem der Geschäftsführer auch ohne entsprechende Satzungsregelung verpflichtet sei, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung von sich aus einzuholen (§ 49 Abs. 2 GmbHG).

Folgen für die Praxis

Mangels analoger Anwendung des § 179a AktG ist die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens einer GmbH – entgegen der bislang überwiegend vertretenen Ansicht im Schrifttum – auch ohne vorherigen Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter im Außenverhältnis wirksam.

Allerdings bedarf eine solche Maßnahme – das stellt der BGH auch klar -  auch bei der GmbH eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Denn die Veräußerung ihres wesentlichen Vermögens stellt für die GmbH eine bedeutsame  Maßnahme dar, die eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf, auch ohne dass dies gesondert in der Satzung geregelt ist. Fehlt dieser Beschluss, ist der Geschäftsführer zwar nicht im Außenverhältnis an der wirksamen Vertretung gehindert, ihm ist aber im Innenverhältnis die Durchführung der Maßnahme untersagt.

Im Einzelfall kann die fehlende Zustimmung der Gesellschafterversammlung auch bei der GmbH auf das Außenverhältnis durchschlagen. In den Fällen nämlich, in denen der Vertragspartner der GmbH den Missbrauch der Vertretungsmacht kennt oder er sich ihm geradezu aufdrängen muss, kann er aus dem formal durch die Vertretungsmacht des Geschäftsführers gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten (BGH, NZG 2006,  626 = ZIP 2006, 1391 mwN; vgl. auch Eschwey, MittBayNot 2018, 299 [309]; Servatius in Festschr. f. Stilz, S. 601, 611).

Unabhängig davon, ob ein Schutz der Gesellschaft nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht gegeben ist, bleiben Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer möglich. Der Gesellschafter einer GmbH kann zudem eingreifen, wenn er Kenntnis von einem bevorstehenden Geschäft erlangt und versuchen, eine wirksame Vermögensübertragung zu verhindern. Er kann das Vertrauen des Vertragspartners auf die unbeschränkte Vertretungsmacht des Geschäftsführers zerstören, indem er den vorgesehenen Vertragspartner darüber informiert, dass der für die Übertragung erforderliche Gesellschafterbeschluss fehlt.

Aus den gesagten Gründen ist auch bei der GmbH dringend zu empfehlen, vor Maßnahmen, die die vollständige Übertragung des Gesellschaftsvermögens zur Folge haben – etwa der Verkauf des einzigen Grundstücks der Gesellschaft, die sonst kein nennenswertes weiteres Vermögen hat – einen Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeizuführen.

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