Im Steuerstrafverfahren können frühe unüberlegte Aussagen des Beschuldigten negative Auswirkungen auf die Hauptverhandlung haben. Auch aus einem teilweisen Schweigen des Steuerpflichtigen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren dürfen vom Gericht im Hauptverfahren negative Schlüsse gezogen werden.
Unsere Mandanten fragen uns in diesem Zusammenhang oftmals, inwieweit Aussagen zu einzelnen Punkten, die im Ermittlungsverfahren zu einem Steuerstrafverfahren von einem Beschuldigten gemacht wurden, verwertet werden dürfen, wenn dieser später im Hauptverfahren insgesamt schweigt.
Grundsätzlich gilt für das Steuerstrafverfahren – wie im übrigen Strafprozessrecht – der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“. Nach diesem Grundsatz ist niemand dazu verpflichtet, sich im Strafverfahren selbst zu belasten oder gegen seinen Willen aktiv an seiner Überführung mitzuwirken. Somit folgt aus dem Grundsatz ein strafrechtliches Schweigerecht.
Während das Schweigerecht im Strafprozessrecht umfassend gilt, sieht das Steuerrecht für das Besteuerungsverfahren grundsätzlich umfassende Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten des Steuerpflichtigen vor. Zur Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gehört dabei beispielsweise, dass der Steuerpflichtige die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß darlegt. Allerdings können Mitwirkungen für den Steuerpflichtigen im Einzelfall – unter engen Voraussetzungen – gegebenenfalls unzumutbar sein. Hier ist jeweils zu prüfen, ob ein Selbstbelastungsverbot bereits steuerlich greift.
Wegen dieser grundsätzlich umfassenden Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren kommt es häufig dazu, dass der Steuerpflichtige im Besteuerungsverfahren schon erste Angaben gemacht hat, die dann möglicherweise Auswirkungen auf das Steuerstrafverfahren haben können. Der Beschuldigte sollte daher bereits vorab seine Rechte und Pflichten kennen.
Ein teilweises Schweigen im steuerlichen Ermittlungsverfahren liegt grundsätzlich dann vor, wenn sich der Beschuldigte zu einzelnen Fragen oder Vorhalten des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter nicht äußert, während er in gewissen Teilpunkten Angaben macht. Dies gilt sowohl dann, wenn ein Angeklagter im Vorverfahren, als auch im Hauptverfahren nur in gewissen Teilpunkten eine Aussage macht.
Praxishinweis des Rechtsanwalts / Steuerfachanwalts: Ein Teilschweigen wird in der Regel dann nicht angenommen, wenn die Aussage in bestimmten Punkten lediglich eine andere Tat im prozessualen Sinne betraf. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Angeklagte sich zu einer anderen Tat oder zu einem anderen Tatvorwurf ohne unmittelbaren Sachzusammenhang geäußert hat. Die Tat darf bei natürlicher Betrachtung keinen einheitlichen Lebensvorgang darstellen.
Aus einem Teilschweigen des Beschuldigten können im Hauptverfahren auch dann negative Schlüsse gezogen werden, wenn das teilweise Schweigen nur im Ermittlungsverfahren stattgefunden hat. Dann muss das Gericht jedoch einen Weg finden, die frühere Aussage in die Hauptverhandlung einzuführen. Eine solche Einführung der früheren Aussage in die Hauptverhandlung kann beispielsweise dann erreicht werden, wenn die Äußerung des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten durch ein anderes Beweismittel, beispielsweise durch den Vernehmungsbeamten als Zeugen, zulässigerweise in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann.
Praxishinweis des Rechtsanwalts / Steuerfachanwalts: Kommt bei einer unvollständigen Abgabe von Informationen im Ermittlungsverfahren ein Teilschweigen des Steuerpflichtigen in Betracht, ist aber stets genau zu prüfen, ob ein solches auch tatsächlich vorliegt, oder ob dieses nicht ausnahmsweise einem Vollschweigen gleichzusetzen ist. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig, da bei Vollschweigen keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürfen. Ein Vollschweigen stellt im Vergleich zu einem Teilschweigen nicht bloß das Unterlassen jeder Erklärung dar. Dem völligen Schweigen sind nämlich auch die Äußerungen des Angeklagten gleichzusetzen, mit denen er seine Täterschaft pauschal bestreitet bzw. erklärt, dass er unschuldig sei. Der Verteidiger wird also für seinen Mandanten die genaue Situation bewerten und gegebenenfalls den vorgenannten „Rettungsanker“ finden.
Unabhängig hiervon wird der Verteidiger stets versuchen, dass frühere Aussagen des Angeklagten nicht in die Hauptverhandlung eingeführt werden, um negative Schlüsse durch das Gericht zu vermeiden. Hier kann es unter Umständen angezeigt sein, der Einführung der Aussage durch ein anderes Beweismittel zu widersprechen.
Der Beschuldigte sollte sich über seine unterschiedlichen Rechte und Pflichten im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren informieren. Aussagen werden oft z.B. durch den mit einer Durchsuchung üblicherweise verbundenen Überrumpelungseffekt provoziert. Es ist naturgemäß schwer, in unbekannten oder überraschenden Situationen richtige Entscheidungen zu treffen. Auch im weiteren Besteuerungs- und Strafverfahren sollte sich der Beschuldigte seiner Rechte bewusst sein. Damit ein „Gesamtpaket“ in beiden Verfahren geschnürt werden kann, sollte vor einer Äußerung zuerst eine Strategie erarbeitet werden. Eine Erstberatung durch einen Steueranwalt/Strafverteidiger kann sich dazu eignen, eine erste Analyse der Situation vorzunehmen.
Stets sollte beachtet werden, dass ein Teilschweigen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren dazu führen kann, dass daraus im Hauptverfahren negative Schlüsse gezogen werden können.
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