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Steuerstrafverfahren in Unternehmen

Unternehmer, Geschäftsführer und Leiter von Steuerabteilungen geraten in der Praxis verstärkt in den Fokus der Steuerfahndung. Auch der Steuerberater des Unternehmens kann betroffen sein. Die Praxis der Steueranwälte von LHP aus Köln zeigt, dass dann besonnenes Handeln der Betroffenen geboten ist. Zahlreiche Fallstricke sollten durch ein professionelles Management des Verfahrens vermieden werden. Wir geben hier erste praktische Hinweise. Eine Beratung im Einzelfall kann dies natürlich nicht ersetzen.

1. Erste Frage: Wer ist betroffen?

Ein Unternehmen kann mit einem Steuerstrafverfahren konfrontiert werden, indem es entweder um betriebliche Steuern geht und ein Anfangsverdacht gegen bestimmte Organe bzw. Mitarbeiter besteht. Es kann aber auch nur um die persönliche Einkommensteuer von Mitarbeitern gehen, wenn diese z.B. Korruptionsgelder vereinnahmt und nicht versteuert haben. Finden Durchsuchungen im Unternehmen statt, so ist das Unternehmen stets Dritter, so dass Durchsuchungsbeschlüsse auf § 103 StPO zu stützen sind.

Hinweis: Der Durchsuchungsbeschluss sollte daher als erstes daraufhin geprüft werden, ob er als Rechtsgrundlage § 102 StPO (dann wendet er sich an den Unternehmer als Beschuldigten) oder § 103 StPO benennt (dann ist der Unternehmer nur Dritter, also Zeuge).

Strafrecht ist immer personen- und nicht unternehmensbezogen, so dass nur natürliche Personen bestraft werden können. Geht es um Unternehmenssteuern, richtet sich der Anfangsverdacht der Ermittlungsbehörde oft gegen die Geschäftsleitung und ggf. den Leiter der Steuerabteilung, wobei die Verteidigung im Einzelfall diese persönliche Verantwortung prüfen und ggf. bestreiten wird. Aber auch Mitarbeiter können in den Fokus geraten. Dies ist allerdings rechtlich oft zweifelhaft.

2. Einleitung eines Steuerstrafverfahrens

Die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wird schriftlich bekanntgegeben. Dies geschieht entweder vor Ort z.B. zu Beginn einer Durchsuchung mit Übergabe des Durchsuchungsbeschlusses oder per Post mit Postzustellungsurkunde. Diese Bekanntgabe ist der Auftakt für die dann folgenden Ermittlungen. Hierzu stehen den Ermittlungsbehörden die Befugnissen nach der StPO zu. Die Ermittlungen erfolgen z.B. durch Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Geschäftsräumen, am Arbeitsplatz, in Privatwohnungen der Funktionsträger, in den Beraterkanzleien (§§ 102, 103 StPO) oder durch Zeugenbefragungen (z.B. Anfragen an Geschäftspartner, Befragungen von Mitarbeitern). Hierbei gelten allerdings für bestimmte Unterlagen von Berufsgeheimnisträgern Beschlagnahmeverbote i.S.d. § 97 StPO.

3. Wann droht Unternehmen die Einleitung?

Typische Fälle für die Einleitung eines Strafverfahrens sind z.B. der Übergang von einer Betriebsprüfung in das Steuerstrafverfahren und Anschwärzungen durch gekündigte Arbeitnehmer oder Ex-Lebenspartner. Auch sollte bei einer steuerlichen Korrekturerklärung bedacht werden, dass das Finanzamt auf die Idee kommen könnte, dass noch mehr Leichen im Keller vergraben sind. Nicht jede Berichtigungserklärung gem. § 153 AO rechtfertigt aber automatisch den Schluss auf eine Steuerhinterziehung. Dies hat das BMF in einer aktuellen Verwaltungsvorschrift selbst nochmals klargestellt (vgl. BMF-Erlass zur Abgrenzung von §§ 153, 371 AO v. 23.5.2016, IV A 3 – S 0324/15/10001). Unser Rechtsanwalt Dirk Beyer hat diese Verwaltungsvorschrift in der Fachzeitschrift NZWiSt 2016, 234 kritisch unter die Lupe genommen.

4. Straf- und Besteuerungsverfahren sind zu trennen

Das Straf- oder Bußgeldverfahren ist rechtlich von dem Besteuerungsverfahren zu unterscheiden. Dies zeigt sich auch darin, dass jeweils unterschiedliche Behörden zuständig sind:

  • Die Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamtes (BuStra oder StraBust) oder die Staatsanwaltschaft (diese ist zuständig wenn es nicht nur um Steuerhinterziehung geht) führen das Straf- oder Bußgeldverfahren.
  • Hingegen ist das Betriebsstätten-Finanzamt bzw. das Wohnsitzfinanzamt des Unternehmens für die Besteuerung zuständig.

Es bestehen jeweils unterschiedliche Pflichten und Rechte der Betroffenen (§ 393 Abs. 1 S. 1 AO):

  • Im Besteuerungsverfahren gilt für das Unternehmen weiterhin die steuerliche Mitwirkungspflicht. Nach Einleitung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens dürfen diese steuerlichen Pflichten aber nicht mehr zwangsweise gegen beschuldigten Unternehmer z.B. durch Zwangsgeld oder Zwangshaft durchgesetzt werden (§ 393 Abs. 1 S. 2 AO).
  • Im Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren besteht für Beschuldigte ein Schweigerecht.
  • Es bestehen unterschiedliche Rechtsbehelfe. Die besonderen Regelungen der AO (z.B. Einsprüche und Anträge auf AdV im Besteuerungsverfahren) und der StPO (z.B. Anträge auf gerichtliche Prüfung gem. § 98 Abs. 2 bzw. die Beschwerde gem. § 304 Abs. 1 StPO im Strafverfahren).

5. Fallstricke während einer Durchsuchung vermeiden!

Für jede Durchsuchung gibt es bewährte Regeln:

  • Der Tag der Durchsuchung „gehört“ faktisch der Steuerfahndung. Dies bedeutet, dass die Durchsuchung meist rechtlich nicht zu verhindern ist und es kann daher nur versucht werden, diese in geordneten Bahnen zu halten und so wenig Aufmerksamkeit im Unternehmen bzw. öffentlich wie möglich zu erregen.
  • Sofortige Kontaktaufnahme mit Berater und Verteidiger
  • Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss aushändigen lassen und durch Hausjurist oder Verteidiger (ggf. per Fax übermitteln) prüfen lassen
  • Was ist der Zweck der Durchsuchung?
  • Schweigen ist Gold. Während der Durchsuchung besteht für den Beschuldigten nur die Pflicht, sich zu eigenen Personalien zu äußern; im Übrigen besteht für ihn nur die Pflicht zur Duldung. Keine Aussage zur Sache ohne vorherige Rücksprache mit dem Verteidiger! Die Steueranwälte von LHP betonen in jedem Einzelfall, wie wichtig diese Regel ist. Aufgrund des psychischen Drucks einer Durchsuchung kommen aber selbst gestandene Unternehmer manchmal in eine Ausnahmesituation und reden sich das Gewissen rein.
  • Namen und Funktionen der Beamten notieren!
  • Kontrolle des Ablaufs der Durchsuchung, denn diese ist räumlich durch die Angaben im Durchsuchungsbeschluss begrenzt.
  • Herausgabe von Unterlagen lässt sich in der Regel nicht vermeiden, sollte aber prinzipiell nur unter Widerspruch erfolgen. Dieser ist im Beschlagnahmeprotokoll zu dokumentieren.
  • Es sollte eine eigene Übersicht über die beschlagnahmten Unterlagen angefertigt und wichtige Unterlagen vor Herausgabe kopieren werden.

6. Was sollte nach der Durchsuchung getan werden?

a. Beauftragung eines Steueranwaltes/Verteidigers

Spätestens jetzt sollte das Unternehmen überlegen, einen Steueranwalt als Koordinator/Verteidiger beauftragen, um die Handlungsoptionen zu klären und ggf. eine Strategie zusammen mit dem Unternehmen und den einzelnen Verteidigern der Beschuldigten zu entwickeln. Es ist eine Frage des Einzelfalles, ob der bisherige Steuerberater nun ein Verteidigungsmandat z.B. für den Geschäftsführer übernimmt. Oftmals ist dies nicht empfehlenswert. ZB. wenn der bisherige Steuerberater nicht gleichzeitig ein versierter Verteidiger ist. Zudem fehlt die gewisse Distanz zum Fall. Der Strafverteidiger genießt schon deshalb oft eine größere Glaubwürdigkeit und erfährt eine größere Kommunikationsbereitschaft seitens der Ermittlungsbehörden. Ist Ermittlungsbehörde die Staatsanwaltschaft und nicht die Strafsachenstelle des Finanzamtes (StraBuSt bzw. BuStra), so ist ein Steuerberater bereits deshalb nicht zur Verteidigung befugt.

b. Akteneinsicht

Der Verteidiger wird in den meisten Fällen zunächst Akteneinsicht nehmen (§ 147 StPO) und sich zusammen mit seinem beschuldigten Mandanten, dem Steuerberater und dem Unternehmen ein Bild vom Vorwurf und der Beweislage machen.

7. Verteidigungsstrategie

Optimalerweise wird ein Team gebildet aus dem laufenden Steuerberater und den entsprechenden Strafverteidigern (Steueranwälten). Nun muss eine Verteidigungsstrategie entwickelt werden. Hier sollte von Beginn an bedacht werden, dass sich die Interessen der Beteiligten, die zu Beginn des Verfahrens oft noch gleichförmig erscheinen, mit der Dauer und der Entwicklung des Strafverfahrens unterschiedlich entwickeln können.

Eine Verteidigungsstrategie kann nur erfolgreich sein, wenn sie umfassend und realistisch in ihren Zielen und Methoden ist. Hierzu gehören Gesichtspunkte für wie z.B. 

  • Der durch die Ermittlungsbehörde ermittelte Sachverhalt ist zu überprüfen/analysieren hinsichtlich etwaiger steuer- und strafrechtlichen Konsequenzen.
  • Die Ziele sollten realistisch sein, wobei die bestmöglichen angestrebt werden. Es stellen sich Fragen wie z.B.: Kann eine Einstellung des Verfahrens bzw. Freispruch erreicht werden? Welche Sanktionen - z.B. Bußgelder oder Geldstrafen - sind unvermeidbar? Droht sogar Untersuchungshaft? Gewerberechtlicher Verbote und einer Eintragung in ein Führungszeugnis sollten vermieden werden.
  • Das Beraterteam wird die Situation jeweils im steuerlichen als auch strafrechtlichen Verfahren diskutieren und bewerten.
  • Es sind sowohl die Unternehmensinteressen als auch die Interessen der Beschuldigten zu sehen. Dies hat berufsrechtlich auch zur Folge, dass jeder beschuldigte durch einen Steueranwalt (Verteidiger) vertreten werden muss. Allerdings ist natürlich dadurch nicht zwingend Doppelarbeit nötig, wenn sich die Verteidiger austauschen. Auch Verteidiger derselben Kanzlei sind grundsätzlich natürlich zulässig und von Vorteil.
  • Alle Schritte sind zeitlich und inhaltlich abzustimmen.
  • Ggf. bietet sich die Einschaltung eines professionellen Medienberaters an.
  • Die Kommunikation mit beunruhigten Geschäftspartnern ist zu prüfen.

Hinweis: Die Praxiserfahrung der Steueranwälte von LHP zeigt, dass ein erstes Gespräch mit der Ermittlungsbehörde lohnenswert ist, um „zwischen den Zeilen zu lesen“. Anhand der Äußerungen der Ermittlungsbehörde kann der erfahrene Verteidiger erste Rückschlüsse ziehen und bekommt einen besseren Überblick, wie der Vorwurf konkret lautet und auf welche Verdachtsmomente er gestützt wird. Diese Informationen ermöglichen es dem Verteidiger, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.

8. Koordinierung der Verfahren wichtig!

Aufgrund der unterschiedlichen Regelung zur Beweislast und Mitwirkungspflicht im Straf- und Besteuerungsverfahren können sich die beiden Verfahren unterschiedlich entwickeln, so dass Berater und Verteidiger versuchen sollten, beide Verfahren zeitlich zu koordinieren. Es ist z.B. misslich, wenn z.B. der Geschäftsführer bereits durch ein Amtsgericht wegen Steuerhinterziehung verurteilt würde, aber das Finanzgericht noch nicht über die steuerrechtlichen Streitfragen geurteilt hat. Insbesondere bei komplexen steuerrechtlichen Fragestellungen zeigt die Praxis oft, dass Finanzgerichte als Fachgerichte naturgemäß steuerrechtlich versierter als Amtsgerichte sind.

Hinweis: Ein Antrag gem. § 396 AO auf Aussetzung des Strafverfahrens kann hilfreich sein, wenn steuerliche Rechtsfragen zunächst durch das Finanzgericht zu klären sind.

Eine vorschnelle Einigung im steuerlichen Verfahren ist nicht empfehlenswert solange nicht absehbar ist, welche Konsequenzen im Straf- oder Bußgeldverfahren drohen. So kann eine tatsächliche Verständigung im steuerlichen Verfahren vom Strafrichter ggf. als Indiz für ein Schuldeingeständnis gewertet werden.

Hinweis: Daher sollte bei der Formulierung der tatsächlichen Verständigung sichergestellt werden, dass sie nicht als ein solches Schuldeingeständnis angesehen werden kann.

9. Wie endet ein Strafverfahren?

Am besten hilft Praxiserfahrung, effektiv und zufriedenstellend einen „Deckel“ für alle bestehenden Straf- und Besteuerungsverfahren zu finden. Es gibt rechtlich unterschiedliche Wege, wie ein Strafverfahren beendet werden kann. Der Steueranwalt wird als Verteidiger den bestmöglichen Weg wählen und seinem Mandanten die jeweiligen Optionen aufzeigen. Hierzu im Überblick

a. Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO

Das Ermittlungsverfahren wird gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, wenn sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt bzw. die Tat nicht nachweisbar ist.

b. Einstellung gegen Zahlung einer Auflage (§ 153a StPO)

In Fällen einer „Grauzone“, in denen die Ermittlungsbehörde ihre Beweisposition also als nicht sicher genug bewertet, kann ein Strafverfahren oft gegen Zahlung einer Geldauflage gem. § 153a StPO eingestellt werden.

c. Anklage oder Strafbefehl

Sieht die Ermittlungsbehörde einen hinreichenden Tatverdacht, wird sie öffentliche Klage in Form der Anklage oder – in kleineren Fällen - des Strafbefehls (§ 170 Absatz 1 StPO) erheben. Wenn der Strafrichter die Anklage zulässt, folgt anschließend eine öffentliche Hauptverhandlung. Hingegen ist das Verfahren des Strafbefehls ein schriftliches Verfahren, in welchem der Strafrichter ohne Teilnahme der Öffentlichkeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Strafbefehl erlässt. Dieser kommt einem Urteil gleich. Innerhalb von 2 Wochen kann gegen ihn Einspruch eingelegt werden. Dies führt dazu, dass dann der Strafrichter anschließend aufgrund einer öffentlichen Hauptverhandlung durch Strafurteil entscheidet.

Das Strafurteil des Richters kann entweder auf Verurteilung (zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe, ggf. Auflagen) oder auf Freispruch lauten. Ein Freispruch muss erfolgen, wenn der Richter vom Vorliegen der Tat nicht überzeugt ist.

Hinweis: Wir Steueranwälte weisen immer wieder auf die grundlegende Bedeutung des alten Grundsatz von in dubio pro reo hin. Dies bedeutet: im Zweifel ist zugunsten des Angeklagten zu entscheiden.

d. Der sog. „Deal“

Mit dem Strafrichter und der Staatsanwaltschaft kann u.U. eine verfahrensbeendende Absprache gem. § 257c StPO geschlossen werden (früher „Deal“ genannt). Ob eine solche Absprache hilfreich ist, hängt von der Einschätzung der Gesamtsituation durch den Verteidiger ab. Der Strafrichter darf im Rahmen einer keine konkrete Strafe, aber eine maximale Obergrenze der zu erwartenden Strafe versprechen.

Hinweis: Ist eine Verständigung unumgänglich, sollte eine sog. doppelte Verständigung angestrebt werden im Besteuerungs- und Strafverfahren.

e. Unternehmensgeldbuße

Es können empfindliche Geldbußen gegen juristische Personen (z.B. AG, GmbH) und sonstige Vereinigungen drohen, selbst wenn z.B. die persönlichen Verantwortlichkeiten im Unternehmen nicht nachweisbar sind (§§ 30, 130 OWiG). Voraussetzung ist u.a., dass z.B. Geschäftsführungsmitglieder schuldhaft ihre eigenen Pflichten (z.B. zur Abgabe von Steuererklärungen gem. § 34 AO) oder ihre Aufsichtspflichten verletzt haben, so dass es zu einer Hinterziehung kam. In der Praxis der Ermittlungsbehörden wird das Instrument der Unternehmensgeldbuße immer beliebter.

Die Steueranwälte von LHP empfehlen im „Fall der Fälle“ einen Rechtsanwalt als Koordinator für das Unternehmen und Verteidiger für die Beschuldigten einzuschalten. Durch die Bildung eines Beraterteams (ggf. zusammen mit dem laufenden Steuerberater des Unternehmens) kann dem Ermittlungsverfahren eine effiziente Verteidigungsstrategie entgegengesetzt werden. Dies kann unter dem Dach einer Kanzlei geschehen. Zahlreiche Fallstricke können bei professionellem Management der Verfahren umschifft werden.

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