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Muss eine Steuererklärung berichtigt werden wenn sich die Rechtsprechung ändert?

Unsere Steueranwälte kennen zahlreiche Praxisfälle, in denen sich Berichtigungspflichten aus § 153 AO ergeben. Diese können nur im Einzelfall geprüft werden und das Ergebnis ist für manche Mandanten oftmals überraschend. Die Sicht des "Normalbürgers" und die gesetzlichen Pflichten unterscheiden sich auch hier oft in wichtigen Punkten. 

1. Beispiel zur Frage der Berichtigungspflicht gem. § 153 AO

Für die Jahre 2014 bis 2017 hat X bestimmte Einnahmen nicht erklärt, weil diese auf einer Tätigkeit beruhen, die nach Ansicht des BFH steuerbefreit sind. In 2018 ändert sich die Rechtsprechung. Nunmehr geht der BFH von keiner Steuerbefreiung aus. Muss X nun für die Jahre 2014 bis 2017 seine Erklärung um diese Einnahmen berichtigen gem. § 153 AO?

2. Wie ist dieser Fall zu lösen?

Die steuerliche Wahrheitspflicht gem. § 150 Abs. 2 S. 1 AO bezieht sich nach ihrem Wortlaut nur auf Tatsachen (BFH, Beschluss vom 25. 6. 1997, VIII B 35/96, BFH/NV 1998, 8). Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die notwendige Tatsachenbasis nicht von der maßgeblichen Steuerrechtslage zu trennen ist. Weitreichende Offenbarungspflichten bestehen daher nach einem früheren Urteil des BGH vom 19.12.1990, nach welchem sämtliche Tatsachen offenzulegen sind, die steuerrechtlich erheblich sein könnten (3 StR 90/90, BGHSt 37, 266). Da eine solche pauschale Anforderung zu Rechtsunsicherheit führen kann, setzt die h.M. diese Rechtsprechung in der Weise um, dass sie von einem typisierten Empfängerhorizont ausgeht. Der Steuerpflichtige muss dem FA die Chance geben, die Tatsachen zu berücksichtigen, die nach dem Empfängerhorizont des FA maßgeblich sind. Hierzu gehören die Umstände, nach denen das FA im Einzelfall oder in Erklärungsvordrucken fragt oder die aufgrund von Verwaltungsvorschriften oder den im BStBl II veröffentlichen BFH-Entscheidungen maßgeblich sind. Selbstverständlich dürfen nur Fragen gestellt werden, die unmittelbar oder mittelbar für die Sachaufklärung und Subsumtion unter die betreffenden steuerlichen Gesetze von Bedeutung sind.

Hinweis von LHP: Eine weitere Frage taucht in der Beratungspraxis auch immer wieder auf. Der Steuerpflichtige muss der Verwaltungsmeinung nicht folgen. Der 5. Strafsenat des BGH hat entschieden, dass der Steuerpflichtige in seinen Steuererklärungen jede ihm günstige Rechtsansicht vertreten darf (BGH, Urteil vom 10. 11. 1999, 5 StR 221/99, wistra 2000, 137).  Hierbei sollte der Steuerpflichtige seine rechtliche Würdigung unter Darlegung des Sachverhalts und seiner Rechtsansicht prüffähig offenlegen, um den Vorwurf eines „Versteckspiels“ und einer Hinterziehung zu vermeiden.

Wenn der oben genannten h.M. vom typisierten Erklärungshorizont gefolgt wird, so würde allein eine Rechtsprechungsänderung – ohne dass sich die Verwaltung diese zu eigen macht – nicht dazu führen, dass die neue Rechtsprechung die Erklärung unrichtig werden lassen kann. Entsprechend stellte das FG Berlin in einem älteren Urteil fest, dass eine Erklärung nicht dadurch unrichtig im Sinne des § 153 AO wird, dass sich nach Abgabe der Erklärung die einschlägige Rechtsprechung ändert (FG Berlin v. 11.3.1998, 6 K 6305/93). Das FG Berlin geht im vorgenannten Urteil davon aus, dass nachträgliche Veränderungen von Rechtsauffassungen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 176 AO keine Korrekturpflicht begründen.

Hinweis von LHP: Im oben genannten Fall sprechen gute Gründe gegen eine Berichtigungspflicht. Der BFH hat hierzu allerdings noch keine Rechtsprechung veröffentlicht, so dass eine gewisse Rechtsunsicherheit verbleibt. Für die hier vertretene Ansicht spricht, dass § 176 AO eine Ausprägung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist. Außerdem hat die Rechtsprechung keine gesetzesändernde Kraft hat, sondern erkennt lediglich die Rechtslage. Wenn eine Rechtsansicht der Steuererklärung zugrunde liegt, so kann eine spätere Rechtsprechungsänderung die Vertretbarkeit der Erklärung nur dann entfallen lassen, wenn sie offensichtlich ist. Dann wäre die Rechtsansicht jedoch bereits wohl früher willkürlich und kaum vertretbar gewesen.  Es gibt zudem keine "objektive höchste Richtigkeit" solange nur FG oder BFH entscheiden und nicht das Bundesverfassungsgericht (das BVerfG legt allerdings nicht das einfache Gesetz aus, sondern prüft nur Grundrechtsverstöße bei der Gesetzesauslegung).

Die Steueranwälte weisen darauf hin, dass die Berichtigungspflicht gem. § 153 AO viele Fallstricke aufweist, die im Einzelfall zu beachten sind. Viele Praxisfälle der Steueranwälte von LHP sprechen dafür, dass sich eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls lohnt. Zudem ist die Berichtigung gem. § 153 AO von der strafbefreienden Selbstanzeige gem. § 371 AO abzugrenzen.

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