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BFH: Keine generelle Pflicht zur Führung eines Kassenbuches?

In Betriebsprüfungen kommt es immer öfter zu Hinzuschätzungen, die für zahlreiche Unternehmer nicht nachvollziehbar sind. Auch wird die Rechtsprechung bisher stets strenger, so dass die Anforderungen an die Aufzeichnung und Aufbewahrung von Unterlagen steigen. Umso überraschender ist der folgende Beschluss des BFH vom 12.7.2017.

Die Leitsätze dieses Beschlusses lauten: 

  1. Eine Aufbewahrung von Tagessummen-Belegen mit Einzelaufzeichnung der Erlöse und Summenbildung kann, sofern im Betrieb keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen angefallen sind, in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse bei Anlegung des im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfungsmaßstabs den formellen Anforderungen an die Aufzeichnungen genügen. 
  2. Die Rechtsprechung, wonach Einzelaufzeichnungen der Erlöse in bestimmten Fällen aus Zumutbarkeitsgründen nicht geführt werden müssen, ist nicht auf Einzelhändler beschränkt, sondern kann auch auf Klein-Dienstleister anwendbar sein .
  3. Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden.
  4. Eine während des Prüfungszeitraums vorgenommene Preiserhöhung um 26 % schließt es im Regelfall aus, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen .
  5. Es ist bisher nicht geklärt, ob die monatlichen Rohgewinnaufschlagsätze, die von der Software der Finanzverwaltung geschätzt werden, der Gauß'schen Normalverteilung folgen, und ob die in einem üblichen Prüfungszeitraum (drei Jahre mit 36 Monats-Einzelwerten) erhobene Grundgesamtheit groß genug für die Anwendung der bei einer Gauß'schen Normalverteilung geltenden Gesetzmäßigkeiten ist.
  6. Es ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn ein Gericht nicht darauf hinweist, dass eine bei ihm sechs Arbeitstage vor Fristablauf eingereichte Rechtsmittelschrift nicht unterschrieben ist.

(BFH vom 12.7.2017, Aktenzeichen: X B 16/17).

Hinweis der Steueranwälte von LHP: Zu beachten ist, dass es sich nur um eine vorläufige Entscheidung des BFH in einem Eilverfahren handelt. Die abschließende Entscheidung in diesem Fall steht noch aus. Wir prüfen, welche Auswirkungen sich in sonstigen Schätzungsfällen und Steuerstrafverfahren aus diesem Beschluss ergeben können. Jedenfalls ist der Beschluss interessant, weil er möglicherweise neue Aspekte in die Diskussion einbringt. Eine vollständige Abkehr von der bisherigen Linie ist jedoch nach erster Durchsicht nicht gegeben. Es wird zu klären sein, ob und in welchen Fällen nun kein Kassenbuch zu führen ist. Der BFH-Beschluss betrifft wohl einen Sonderfall, so dass Unternehmer zunächst weiterhin ihr Kassenbuch führen sollten. Die weitere Rechtsprechung bleibt abzuwarten. Vorsorglich sollten sich Unternehmer an der bisherigen Rechtsprechung orientieren. Aber in den Streitfällen, wenn also im Nachhinein eine Diskussion mit dem Finanzamt zu führen ist, sollte der neue BFH-Beschluss berücksichtigt werden.

Die Abwehr von unberechtigten Schätzungen kann im Wege einer Besprechung mit dem Finanzamt und notfalls durch Einspruch geschehen. Wichtig ist dann auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) als Vollstreckungsstopp.

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