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Gilt die 3-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2, 2a AO für Bescheide per Fax?

In der Praxis übersenden Finanzämter teilweise Steuerbescheide und auch Einspruchsentscheidungen per Fax. Gilt dann für die Bestimmung des Zustellungszeitpunktes die 3-Tages-Fiktion?

1. Ausgangspunkt ist der Gesetzeswortlaut 

§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO („Übermittlung per Post“) ist schon dem Wortlaut nach nicht erfüllt.

Hingegen ist der Wortlaut des § 122 Abs. 2a AO („elektronisch“) weit genug, um bei einer wohlwollenden Auslegung anhand des Wortlautes auch ein Fax als elektronischen Dokument zu verstehen. Diese Auslegung mittels des Wortlautes ist jedoch nicht allein maßgebend, da es auch auf den Normzweck und die Gesetzeshistorie ankommt. Das FG Köln sieht daher in einer Entscheidung aus 2009 eine differenzierte Lösung als geboten an (hierzu unten Punkt 2).

Die Finanzverwaltung geht von einer pauschalen Anwendbarkeit des § 122 Abs. 2a AO für sämtliche Fax-Techniken aus (AEAO zu § 122 Ziff. 1.8.2 Satz 4).

Hinweis von LHP: Diese Sicht der Finanzverwaltung lässt sich aufgrund des Günstigkeitsprinzips vertreten. Auf die Anwendung der 3-Tages-Fiktion gemäß dieser Verwaltungsvorschrift kann jedoch nicht vertraut werden. Denn die Berechnung der Frist wird durch ein Finanzgericht (FG) von Amts wegen geprüft und das FG ist nicht an eine Verwaltungsvorschrift gebunden. 

2. Bisher gibt es nur ältere Urteile in der Rechtsprechung:

a. FG Köln, Urteil vom 11.03.2009, 5 K 1396/05 (differenzierende Sicht)

Der Kläger konnte sich in diesem Fall nicht auf eine Drei-Tages-Fiktion berufen. So führte das FG Köln sinngemäß aus: § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt hier deswegen nicht, weil eine Bekanntgabe durch Telefax keine Übermittlung durch die Post ist. Auch kann sich der Kläger nicht auf § 122 Abs. 2a AO berufen, da zumindest bei Faxen, die, wie in der Entscheidung, ausschließlich auf Papier ausgedruckt werden, keine elektronische Übermittlung eines Verwaltungsakts gegeben ist. Anders liegt der Fall, wenn das Gerät auch in der Lage ist, das Fax elektronisch aufzuzeichnen (dann soll die 3-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2a AO nach Ansicht des FG Köln gelten). Dies war im Urteilssachverhalt aber nicht der Fall.

Der BFH musste in der Revision die Streitfrage nicht entscheiden. Revision wurde zwar eingelegt (X R 22/09). Das Revisionsverfahren ist jedoch erledigt durch Löschung in den Registern.

b. FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 26.2.2013, 4 K 498/10

Das FG Sachsen-Anhalt folgt der differenzierenden Sicht des FG Köln: Auf eine Telefax-Bekanntgabe, bei der das Empfangsgerät das erhaltene Telefax ausdruckt, finden Abs. 2 und 2a des § 122 AO keine Anwendung. Der BFH musste die Streitfrage auch hier nicht entscheiden.c. 

c. FG Düsseldorf (11 K 508/06 E, 26.3.2009)

Das FG Düsseldorf konnte die Streitfrage offen lassen und hat sie daher nicht entschieden.

3. Die Literatur ist nicht einheitlich

In der Literatur wird teilweise die differenzierende Sicht des FG Köln vertreten (z.B. Seer in Tipke/Kruse, AO, § 122 Rz. 63b).

Einzelne Literaturstimmen folgen hingegen ohne nähere Begründung der pauschalen Ansicht der Finanzverwaltung (z.B. Frotscher in Schwarz, AO, § 122 Rz. 136a).

4. Zusammenfassung:

Bisher gibt das FG Köln seit 2009 durch seine differenzierende Sicht die Richtung vor. Das FG Sachsen-Anhalt hat sich dieser Sichtweise angeschlossen und gewichtige Literaturstimmen (z.B. Seer in Tipke/Kruse) folgen dieser Sicht. Der BFH hat die Streitfrage bisher nicht entschieden. Daher bleibt Raum für eine Revisionszulassung im konkreten Streitfall. Der Gesetzgeber sollte eine Klarstellung vorsehen und bis dahin das Günstigkeitsprinzip gelten. Nachteilige Folgen müssen wegen der nötigen Rechtssicherheit im Prozessrecht durch den Gesetzgeber geregelt werden. Insbesondere bei einer Publikation durch eine Verwaltungsvorschrift, wie hier geschehen im AEAO, sollte Vertrauensschutz gelten. Dieser Schutz hat im Prozessrecht (Rechtsbehelfsrecht) wegen der dort gebotenen Rechtssicherheit eine besondere Bedeutung. Ob hier der Vertrauensschutz allerdings so gewichtig ist, dass er die fehlende Bindung eines FG an eine Verwaltungsvorschrift übertrifft, müsste noch näher beleuchtet werden.

Hinweis: Zur Zeit bietet es sich an, die Fristberechnung bei Faxen generell ohne die 3-Tages-Fiktion vorzunehmen. Dies gilt zumindest dann, wenn ein Streit über die Anwendbarkeit vermieden werden soll. Insbesondere kann auch die Anwendung verschiedener Faxgeräte zu einer Unklarheit bei der Berechnung führen. Es bleibt abzuwarten, ob ein Gericht (möglichst der BFH) die alte Rechtsprechung des FG Köln aus 2009 bestätigt und damit Rechtssicherheit schafft.  Beim FG Köln ist dem Vernehmen nach aktuell ein entsprechendes Verfahren anhängig. 

Die Steueranwälte von LHP beachten für ihre Mandanten die aktuelle Rechtsprechung auch im Rechtsbehelfs- und Prozessrecht. Aus Gründen der Vorsicht wenden wir in der eigenen Fristberechnung im Sekretariat die 3-Tages-Fiktion zur Zeit bei eingehenden Faxen nicht an. 

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